Cima Sondrio (3536 m) – Südwand

Mit Matthias                                                                                                                                                                                                          22/08/2016 

Vadrett da Tremoggia, Bivacco Colombo, Cima Sondrio, Val Fex, Fextal, Fuorcla Fex-Scerscen
Weglos in den steilen Grashängen Las Blais Richtung Vadrett da Tremoggia

Nach der Autofahrt von Baden nach Pontresina steigen wir dort kurz vor 11 Uhr in den Bus nach Sils, wo wir um 12:00 mit der Pferdekutsche von Clalüna gemütlich ins Fextal schaukeln. Der Nebel hat sich fast vollständig verzogen und es ist richtiggehend heiss. Kurz vor eins kommen wir in Curtins an, von wo es zu Fuss weitergeht. Auf dem Strässchen wandern wir zur Alp Muot Selvas und überqueren dort den Bach. Nun ziehen wir Tierspuren benützend schräg den steilen Wiesenhang Las Blais hoch. So kommen zum Ova dal Mottüsch, wo wir in der Geröllhalde auf Steinmännchen stossen. Diesen folgend gelangen wir zur Geröllhalde, die zum Vadrett da Tremoggia führt. Was für eine Farbenpracht liegt in diesem Gestein hier! Ich bedaure, dass ich mich mit Geologie nicht auskenne, es hätte mich sehr interessiert, welche Gesteinsarten und Mineralien hier alles vorkommt.

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Ankunft beim Bivacco Colombo

Kurz nach 14:00 beim Gletscher angekommen essen wir unsere grossen Sandwiches, machen aber nicht lange Rast, denn es geht ein kühler Wind. Für den Aufstieg über den Gletscher können wir auf Steigeisen und Seil verzichten, auf dem blanken Gletscher sieht man die Spalten gut. Später ist er zwar mit einer anstrengend zu gehenden Nassschneeschicht bedeckt, aber mit umsichtiger Routenwahl sind die Spalten auch hier kein Problem. Kurz vor der Fuorcla Fex-Scerscen steigen wir den steilen Firnhang direkt neben der Felsrippe, die zum Biwak hinaufführt auf und klettern dann etwas unangenehm über sehr brüchige Felsen zum Felsband. Hier würde man besser im Firn bleiben bis man an die Felswand stösst - von dort kann man dann bequem über ein schmales Schuttband zum Biwak gehen. Immerhin wissen wir das nun für den nächsten Tag.

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Blick ins Fextal
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Bereit für eine kalte Nacht im Biwak

Kurz nach halb 5 beim Biwak angekommen geniessen wir noch die Sonne - wegen dem starken Wind allerdings in dicke Daunenjacken gehüllt. Das Biwak ist mit 4 Betten, Biwaksäcken und vielen sauberen Wolldecken ausgerüstet, ausserdem finden wir ein paar Töpfe und etwas Essen. Es muss aber Kocher und Essgeschirr selber mitgebracht werden. Wir verbringen den Rest des Nachmittages und Abends mit Schnee schmelzen, Kochen und fotografischem Festhalten der schönen Abendstimmung und machen uns dann bald bereit für eine kalte Nacht...

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Blick aus dem Biwak nach Italien
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Nach einer kalten Nacht folgt ein kalter Morgen; Pizzo Malenco (links) und Piz Tremoggia (rechts)
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Auf der Einstiegsrampe vor der eigentlichen Kletterei

Um 5:30 klingelt der Wecker und nach Kaffee und Müesli machen wir uns um 6:30 auf den Weg. Nach den ersten Meter auf dem Schuttband gehts steil aber dank Steigeisen problemlos über den Firnhang hinunter auf den unteren Scerscengletscher (Vedretta di Scerscen Inferiore). Hier schauen wir uns aus der Entfernung die Südwand an um den Routenverlauf zu studieren, und können dank gutem Topo (Topoführer Bündner Alpen, topo.verlag) schnell die Einstiegsrampe identifizieren. Ohne Eile gehen wir auf diese zu, es ist immer noch bitterkalt und klettern ohne Handschuhe scheint wenig verlockend bevor die Sonne kommt. Bei der Wand angekommen können wir östlich der Rampe noch einige Meter bequem im Firn zurücklegen, dann wechseln wir auf den Fels und kraxeln über Schutt und Bänder hinauf zu eigentlichen Einstieg. Nun, um 7:30 hat auch die Sonne die Wand erreicht - leider liegen aber die Einstiegslängen noch im Schatten.

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In der schönen zweiten Seillänge

Die erste Seillänge weist schon mal eine für Bergschuhe recht feingriffig und -trittige Stelle auf. Für mich unmöglich, diese mit Handschuhen zu klettern, und die kalten Finger schmerzen. Die zweite Seillänge (5a) ist dann nochmals etwas schwieriger. Nach einer einfachen Traverse folgt ein schöner Handriss, dann ein Fingerriss und ein sehr feingriffiger Schluss. Wirklich nicht ohne, schon gar nicht mit tauben Fingern. Die Kletterei ist aber super schön in gutem Fels - zudem sieht man in der ganze Wand weder altes noch neues Hakenmaterial - fast wie eine Erstbegehung, mit dem grossen Unterschied, dass wir ein gutes Topo über den Routenverlauf haben, mit welchem wir die Route auch gut finden.

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Schöne Kletterei ohne menschliche Spuren in der Südwand der Cima Sondrio

Ab jetzt wird die Kletterei leichter, meist im dritten Grad mit ein zwei 4er-Stellen pro Seillänge. Wir klettern überschlagend oder im leichteren Gelände auch mal über weitere Strecken simultan. Die leichten (und dort auch mal etwas brüchigen) Passagen lassen sich nicht überall absichern, bei den etwas schwierigeren findet man aber immer gute Platzierungen. Immer häufiger klettern wir auch in der Sonne und geniessen die entspannte aber interessante Kletterei und die Abgeschiedenheit. Um 12 steige ich in durch einen Kamin exponiert aus der Wand aus. Hinter der Gipfelwächte vom Wind geschützt machen wir ausgiebig Rast.

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Blick zurück zur Cima Sondrio und den Abstieg durch die Seraczone

Mit Steigeisen an den Füssen geht es dann weiter über die Firnkuppe der Cima. Hier bläst der Wind wieder so stark, dass wir uns kaum verstehen. Nach einem steilen Abstieg im Firn und einer kurzen Passage in gemischten Gelände seilen wir etwa 15 m in den Sattel zwischen der Cima Sondrio und dem Piz Glüschaint ab. Von hier gilt es nun einen cleveren Weg über den spaltenreichen Roseggletscher zu finden. Zum Glück treffen wir bald auf eine alte Spur, die uns etwas unheimlich über eine schmale Brücke und durch die steile Spaltenzone führt. Hier ist nun das kalte Wetter ein Vorteil: in guten Trittfirn klettern wir rückwärts zwischen den Spalten ab auf ein Plateau. 

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Langer Abstieg nach Pontresina - Blick zurück zur Cima Sondrio (weisse Schneekuppe zwischen La Sella und Piz Glüschaint)

Von hier folgen wir den Spuren Richtung Nordrippe von La Sella. Allerdings gibt es für uns hier keinen Weg mehr über die riesige Spalte. So gehen wir wieder zurück und queren den steile Firnhang unter dem Piz Glüschaint. Danach steigen wir ab, wobei wir einige offensichtliche Spalten umgehen können und gelangen so zur Felsinsel unter der Fuorcla da Glüschaint. Westlich von dieser steigen wir vorsichtig weiter ab. Zum Schluss wird der Gletscher blank und steil aber gerade noch machbar, so erreichen wir endlich die sicheren Felsen. Über diese und zuletzt auf guten Weg kommen wir um halb 4 zur Coazhütte. Hier gibt es erstmal Bier und Nusstorte, dann folgt ein schöner aber langer Weg nach Pontresina - leider sind wir zu spät für die Pferdekutsche im Roseggtal. Dafür wartet um halb 8 eine feine Pizza im Restaurant Station in Pontresina auf uns.

 

Fazit: Eine komplette Hochtour mit sehr schöner Kletterei, bei der man höchstwahrscheinlich alleine ist. Da die Verhältnisse auf dem Roseggletscher immer schwieriger werden, empfiehlt es sich, über den Grat zum Bivacco Colombo zu klettern und von da wieder ins Fextal abzusteigen. 


Gipfel:           Cima Sondrio
Route: Südwand/Mittelrippe der Südwand
Ausgangspunkt:  Bivacco Colombo
Höhe: 3536 m
Schwierigkeit: S, 5a

Karte/Führer:

 

 

Hochtouren Topoführer Bündner Alpen, topo.verlag. Achtung, im SAC-Führer Bündner Alpen Ausgabe 2007 ist der Routenverlauf und vor allem der Standort des Biwaks falsch eingezeichnet!