Aiguilles Dorées (3517 m) – Überschreitung (E->W)

Mit Holmger                                                                                                      29/08/2021

Trient, Cabane d'Orny, Aiguilles Dorées, Bivouac de l'Envers des Dorées, traverse, überschreitung, Cabane du Trient
Übersicht über die Aiguilles Dorées und den von uns gewählten Routenverlauf, aufgenommen von der Trienthütte im Juli 2019; der Stern markiert die Schlüsselstelle.

Im Wallis ist mit Bise zwar frisches aber trockenes Wetter angesagt. Auf den höheren Bergen liegt schon einiges an Neuschnee, die Aiguilles Dorées sehen aber auf der Webcam der Trienthütte schön trocken aus. Da Trienthütte schon ausgebucht ist, reservieren wir die letzten zwei Plätze auf dem Bivouac de l'Envers des Dorées, welches wir von einem früheren Besuch in guter Erinnerung haben. In Champex angekommen, hat der Sessellift grad Mittagspause (!), was uns die Gelegenheit gibt, einen feinen Heidelbeerkuchen zu besorgen, welchen wir dann beim Hochgondeln vertilgen. Um 13:30 geht es schliesslich auf dem landschaftlich schönen aber teilweise strengen und langgezogenen Weg aufwärts.

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Gleich beim Biwak, das Wetter lädt heute nicht dazu ein, noch draussen zu sitzen (Foto H. Ullrich.

Kurz nach der Cabane d'Orny montieren wir Gletscherausrüstung und ziehen über den Glacier d'Orny auf den Roc des Plines zu, wobei wir einen guten Blick auf den leicht erkennbaren Einstieg zur morgigen Kletterei machen können. Zwischen dem Roc des Plines und Punkt 3324 m geht es dann - wieder ohne Steigeisen und Seil - erst über Wegspuren und Geröll, dann bequem über Schneefelder zum Biwak hinunter, welches wir um viertel vor sechs erreichen. Auch ohne grössere Pause und in anständigem Tempo haben wir doch gut 4.5h gebraucht. Nach einem Bier gehts ans Schnee holen, schmelzen und kochen. Dank vier Gasherdplatten und angenehmen "Mitbewohnern" - darunter Freunde von Holmger sowie Oliver, den wir vom Nollen kennen - läuft dies trotz Vollbelegung effizient und entspannt ab und wir sitzen gemütlich zusammen, bis es Zeit wird ins (doch etwas enge) Nachtlager zu steigen.

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Kurz vor dem Einstieg gehts entlang eines kleinen Gletschersees zwischen dem Roc des Plines und Punkt 3324 hindurch. Hinten sieht man schon die ersten drei Nadeln, die es zu überklettern (optional) oder zu umgehen gilt.

Am nächsten Morgen steigen wir Kurz vor 6:00 über die angenehm gefrorenen Schneefelder und die steile, aber gut zu gehende Moräne auf, während es allmählich dämmert. Der Überganz zum Fels ist völlig problemlos und der Einstieg auf den Grat ist auch genau da, wo wir es vermutet haben. Pünktlich zum Sonnenaufgang um 7:00 Uhr sind wir bereit für die Kletterei.

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Gutes Timing: pünktlich zu Sonnenaufgang am Einstieg der Gratkletterei
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Der erste Abschnitt des Grates liegt allerdings auf der Nordseite und somit im Schatten, wo es heute doch recht frisch ist... (Foto: H. Ullrich)

Da es hier im Schatten doch recht kalt ist, klettern wir mit dicken (Faust)handschuhen. Trotz diesen und Bergschuhen kommt uns die erste Seillänge für 5a aber recht leicht vor und wir hängen simultan kletternd die nächsten beiden auch noch an, damit wir schnell auf die Gratkante und somit an die Sonne gelangen. Von hier könnte man die erste Nadel - die Tête Crettez - in einfachem Gelände umgehen. Weil der Fels aber so griffig, kompakt und schön zu klettern ist, übersteigen wir sie, wobei uns die Schwierigkeitsbewertung wieder recht nett vorkommt (oder sind wir nach den Ferien in Chamonix einfach gut auf diese Art von Kletterei eingetuned?).

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Für den Rest der Tour bleibt man aber praktisch immer entweder auf dem Grat oder auf dessen Südseite und somit an der Sonne. (Foto: H. Ullrich)
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Genusskletterei in perfekten Granit führt auf die Tête Crettez.

Weil das Abseilen von den Nadeln   den Kletterflow bricht und wir nicht genau wissen, wie viel Zeit uns die Tour kosten würde (laut Führer 8-12h für Überschreitung  ohne Zu- und Abstieg und optionale Nadeln),  verzichten wir auf die Besteigung von Aiguille Javelle und Trident. Stattdessen folgen wir Steinmännchen in der Südflanke durch Gehgelände und II-er Kletterei, die sich in erstaunlich solidem Fels abspielt. Über eine charakteristische Felsrampe geht es um einen orangen Gendarmen herum, und wir erreichen um 8:15 die Copt-Verschneidung, welche die klare Schlüsselstelle der Tour darstellt.

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Auch die Umgehung von Aiguille Javelle und Trident verläuft in stabilem Fels, das Gelände ist einfacher als es aussieht.
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Blick zurück vom Col Copt zum orangen Gendarmen, Trident (man erkennt, woher der Name rührt), Aiguille Javelle und Tête Crettez
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In der Coptverschneidung muss man ordentlich zupacken - Ehre denjenigen, die sie mit Bergschuhen und Rucksack frei klettern!

Diese mit 6a+ bewertete 30 m lange Seillänge hat es wirklich in sich! Auf knapp 3 m steckt zwar ein Fixcam mit Schlinge und gleich darüber ein  Fixkeil, an welchen man sich technisch etwas hoch helfen kann. Allerdings muss man dazu zuerst einmal in die Verschneidung rein kommen, was zumindest für Kurzgewachsene wie mich, die den ersten Griff nicht erreichen, ziemlich tricky ist. Die Füsse (und Po) an die glatte Wand gepresst, die Hände im rutschigen Riss gilt es anschliessend, sich hocharbeiten - das kam uns nicht einfach vor. Auch kann man zwar immer wieder gute Sicherungen platzieren, aber sich einfach technisch an Cams hochschieben wie gewisse Literatur vermuten lässt, geht dann doch nicht.  Nach 7-8 Metern wird die Kletterei einfacher und auch wirklich schön, wir fanden sie aber doch klar schwerer als die anderen mit 4c bewerteten Stellen.

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Einfaches Gelände zwischen der Copt-Verschneidung und der Aiguille Sans Nom

Nun führt einfaches aber schön zu gehendes  Gelände durch die Südwand weiter bis zur Aiguille Sans Nom, wo uns ein grober Fehler unterläuft und wir den Text des hier etwas verwirrenden Topos von Michel Piola falsch interpretieren. Obwohl mir das suspekt vor kommt (nächstes Mal höre ich wieder auf meine Intuition!), klettern wir erst über brüchige Felsen nach Süden zu einem Abseilstand hinunter und seilen dann über eine fix installierte Abseilpiste in ein brüchiges Couloir ab, wo klar wird, dass wir falsch sind. Heikle Kraxelei  durch ein mit Firn gefülltes Couloir und über äusserst lose Felsen führt uns wieder zum Grat zurück. Im Nachhinein ist es klar: hier hätten wir entweder die Aiguille Sans Nom ganz überklettern, oder aber nur ein paar Meter absteigen und dann an geeigneter Stelle unter ihr durch traversieren sollen.

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Leichte Block...

Naja, nun gehts wieder flüssiger und entspannter weiter über die Tête Biselx, südlich um die Pointe Fynn und dann nördlich um den Ostgipfel der Aiguilles Penchées, wo nochmals eine coole 4a-Stelle wartet. Der Fels ist hier nicht mehr ganz so zuverlässig wie zum Anfang des Grates, was aber wegen der Einfachheit des Geländes nicht stört. In die Sattel zwischen den Gipfel wird jeweils kurz abgeseilt, dies gestaltet sich ebenso problemlos wie die mit hartem Firn gefüllte Rampe unterhalb des Westgipfels der Aiguilles Penchées, welche dank tiefen Tritten gut zu gehen ist. Luftige aber einfache Kletterei im 3. Grat führt uns zum Ostgipfel der Aiguille de la Varappe, welche wir südlich umgehen. Nach weiteren Metern schöner Kraxelei stehen wir dann kurz vor 13:00 Uhr auf dem Westgipfel der Aiguille de la Varappe, dem höchsten Punkt des Grates, der gewöhnlich das Ende der Überschreitung bedeutet - es sei denn, man verfolge den Grat noch weiter bis zum Fenêtre de Saleinaz.

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...sowie luftige Gratkletterei im letzten Abschnitt, wo der Fels wieder stabiler wird (Foto: H. Ullrich)
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...dito (Foto: H. Ullrich)
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Endlich unten... der Bergschrund ist in unserer Abseillinie praktisch inexistent.

Schaffen wir es sogar noch auf den Sessellift um 17:00? Wir wollen es versuchen und machen nur kurz Gipfelrast, dann klettern wir ein paar Meter über die glatte Gratkante an einem Turm vorbei ab, bis diese steil abfällt, wo auch den brandneuen Kettenabseilstand finden, von dem ich gelesen hatte. So weit so gut - auch die ersten beinen Abseiler verlaufen problemlos, dann aber finden wir keinen weiteren Abseilstand von gleicher Qualität mehr, seilen und nach längerem hin- und her über mehr oder weniger improvisierte und antike Abseilstände ab. Dies verläuft nicht ohne zwei zeit- und nervenraubende Seilverhänger und viel Seilgewirr, was unter anderem auch der Tatsache geschuldet ist, dass wir mit einem 30 m Seil und einer dünnen Rapline unterwegs sind, die sich in jeden noch so kleinen Spalt legt und um alle erdenklichen Schüppchen wickelt... Um bis an den Wandfuss abseilen zu können, basteln wir aus einer eigenen Schlinge und unterwegs gefundenen Material zwei weitere Abseilstände. Der Bergschrund lässt sich dann problemlos überwinden, aber wir sind ohne Frage höchst erleichtert, nach 2.5 h(!) Abseilerei (für gerade mal 200 Höhenmeter...) auf dem Plateau du Trient zu stehen...

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Der Abstieg nach Champex ist landschaftlich sehr schön, aber geht ordentlich in die Beine. (Foto H. Ullrich)

Den Sessellift können wir natürlich vergessen, aber das ist weiter nicht tragisch. Da es sich auf dem Gletscher äusserst angenehm geht, folgen wir ihm bis an seine Zunge auf 2680m, wobei wir unterwegs mal eine gute Pause machen. Der Weg zur Sesselbahnstation zieht sich schliesslich, und auf dem teilweise sehr steilen Abstieg nach Champex beginnen die Beine ordentlich zu brennen. Hier versüssen uns aber zahlreiche Heidelbeeren - die ersten des Jahres - den Weiterweg und überbrücken die Zeit, bis es beim Auto dann feine Sandwiches und zu Hause schliesslich Pizza gibt, nach welcher wir müde ins Bett sinken.


Gipfel:           Aiguilles Dorées
Route: Überschreitung Ost-West
Ausgangspunkt: Bivouac de l'Envers des Dorées, alternativ Cabane du Trient
Höhe: 3517 m (Aiguille de la Varappe)
Schwierigkeit: S, 6a+/5b A0

Führer:    

 

 

 

Hochtouren Topoführer Walliser Alpen (Silbernagel/Wullschleger), oder Hochtouren Westalpen Band 2 (Eberlein/Gantzhorn), sehr ausführlich ist auch das Leporello von Michel Piola/Petzl (fiche granite 8, erhältlich im Bächli Bergsport)

Material:

Gletscherausrüstung, 50 m Seil, Zackenschlingen, Exen, Cams 0.3-2