Piz Palü (3900 m) – Ostpfeiler

Mit Armin                                                                                                                                                    05/08/17                                                                               

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Bei meiner ersten Tour auf den Piz Palü. Wer das Gebiet kennt, der sieht, dass sich seither nicht nur die Mode geändert hat.

Da meine Eltern seit vielen Jahren eine Ferienwohnung in Pontresina besitzen, ist der Piz Palü sozusagen mein Hausberg. An mindestens acht Besteigungen kann ich mich erinnern, angefangen mit einer Tour über Normalroute zum Ostgipfel als eine meiner ersten richtigen Hochtouren im Primarschulalter. Später diente Überschreitung der drei Palügipfel immer wieder mal als lohnenswerte Abstiegsroute von anderen Gipfel wie Piz Bellavista oder Piz Bernina. Die Tour über den Ostpfeiler im 2008 war dann eine meiner ersten anspruchsvolleren Touren. Damals alles im Nachstieg hatte ich dennoch ziemlich Respekt vor der Tour. Nun, neun Jahre später möchte ich die Tour wieder mal unternehmen - diesmal mit meinen Vater Armin - und bin gespannt, wie mir die Tour nun, mit viel mehr Erfahrung und im Vorstieg vorkommen würde.

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Im heissen Sommer 2017 herrschen im Felsteil des Pfeiler perfekte Verhältnisse

In den Vortagen und am Anreisetag wird das Berninagebiet von vier tödlichen Bergunfällen am Piz Bernina sowie einem Kleinflugzeugabsturz erschüttert. Die Verhältnisse in den Bergen sollen aber gut sein und das Wetter sowieso. Da das Postauto zur Diavolezza aus ungeklärten Gründen nicht erscheint, schaffen wir es gerade noch mit viel  Stress per Taxi auf die zum Glück verspätete letzte Gondel. Danach aber geniessen wir einen ruhigen Abend an der warmen Sonne und beim feinen Viergangmenu.

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In den Cambrenabrüchen

Um halb vier gibt es das übliche Diavolezza-Luxusfrühstück mit knusprigem Brot und warmen Gipfeli, und zusammen mit vielen geführten Gruppen machen wir uns in der lauen Nacht auf den Weg; hinter dem Piz Trovat durch und hinunter zum Gletscher. Angeseilt geht es über diesen aufwärts, wobei wir erst auf knusprigem Blankeis, dann auf einer festen Spur bequem vorwärts kommen. Die Seraczone der Cambrenabrüche ist allerdings recht eindrücklich und etwas unheimlich, auch wenn keine dünnen Brücken überquert werden müssen.

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Auf dem Pfeiler und in der Sonne angekommen - was für ein Tag!

Nach der ersten Gletscherstufe auf knapp 3300 m, wo wir vom Normalweg Richtung Pfeiler abzweigen müssen, schliessen wir zu einer Seilschaft aus dem Tirol auf, mit welcher wir uns für den restlichen Weg über den Gletscher zusammenschliessen, um den Weg parallel zu den vielen Spalten sicherer zu gestalten. So kommen wir nach knapp 2h ab Diavolezza zum Einstieg. Der Bergschrund ist problemlos zu überwinden und wir ziehen die Steigeisen schon auf dem Gletscher aus. Die Kletterei auf den Pfeilerrücken hinauf hatte ich als etwas mühsam im Kopf. Heute kommt sie mir gar nicht so vor. Klar, etwas sandig und nicht total stabil ist es hier, aber alles trocken und sogar mit neuen Bohrhaken und Ständen ausgerüstet. In drei kurzen Seillängen klettern wir auf den Pfeiler, wo ich das Seil weiter verkürze, damit wir effizient simultan weiter klettern können. Nun ist die Sonne gekommen und wir freuen uns sehr, hier sein zu können.

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Bombenstabiler aber trotzdem griffiger Fels auf dem Ostpfeiler
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Weder am Ambiente noch am Wetter ist etwas auszusetzen.

Herrliche Kletterei wartet hier auf uns (sooo schön hatte ich das gar nicht mehr im Kopf!) - praktisch alles im II bis III-er Bereich, selten Gehgelände, gespickt mit ein paar etwas kniffligeren und anstrengenderen Stellen. Einige Aufschwünge sind ziemlich steil, der Fels bietet aber grosse Henkel und Tritte, und dort wo es eher plattig ist, macht die exzellente Reibung das Klettern zum Vergnügen. Ich bin erstaunt, dass sich an einem so perfekten Tag ausser uns und den Tirolern keine weitere Seilschaft am Pfeiler befindet. Wir klettern praktisch alles simultan, ab und zu lege ich mal einen Cam oder klippe einen Schlaghaken beziehungsweise einen der unzähligen Fixfriends, die man hier findet. Oft ist das aber nicht mal nötig, so müssen wir nur selten für einen Materialtausch anhalten und kommen gut vorwärts, obwohl wir uns nicht sonderlich beeilen und immer mal wieder anhalten, um zu geniessen. 

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Dank der guten Reibung machen auch die plattigen Stellen Spass
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Die hohen Temperaturen haben dem Firngrat zugesetzt. Auf der kleinen Felsinsel etwa in der Mitte befindet sich praktischerweise ein Schlingenstand.

Kurz vor zehn erreichen wir den Beginn des Firngrates. Letztes Mal hatten wir hier guten Trittfirn vorgefunden, diesmal sieht der Grat schon recht blank aus. Damit hatten wir aber gerechnet und deshalb genügend Eisschrauben eingepackt. So steigen wir weiterhin simultan auf, achten aber darauf, dass sich immer mindestens eine Eisschraube zwischen uns befindet. Die Unterlage ist hart, aber bietet den Steigeisen guten Halt. Eine etwas ungünstige Situation erleben wir, als Armins Steigeisen in zwei Teile zerfällt. Glücklicherweise habe ich da gerade noch genügend Seil, um bei der kleinen Felsinsel in der Gratmitte Stand zu machen. Armin gelingt es, das Steigeisen zu flicken und wieder anzuziehen, und weiter geht es. Ganz am Schluss steilt sich der Grat fast senkrecht auf, hier liegt aber guter Trittschnee, und mit einem Mantle über die Gratkante kommen wir kurz nach elf auf den Ostgipfel.

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Kurz unter dem Gipfel liegt wieder Trittschnee

Da wir früh dran sind und das Wetter stabil aussieht, beschliessen wir, die anderen Palü-Gipfel zu überschreiten und über die Fortezza ins Morteratschtal abzusteigen. Nach einer kurzen Pause im Sattel zum Hauptgipfel steigen wir auf guter und trotz der Wärme nicht allzu weicher Spur auf diesen auf und wieder hinunter Richtung Westgipfel, wo wir nochmals schöne Kraxelei in stabilem Fels vorfinden (bis auf die letzten Meter, wo wir etwas zu weit in die südliche Flanke ausweichen). Weiter geht es hinüber zur Bellavistaterrasse und auf bequemen Nassschnee hinunter zum Fortezzagrat, wobei wir hier nochmals auf Spalten achtgeben müssen. Den Grat abkletternd, treffen wir auf eine Seilschaft, die mit uns beim Frühstück gesessen hat und wechseln ein paar Worte, bevor wir die letzte Steilstufe abseilen. 

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Das Bier ruft - zügig geht es über den Morteratschgletscher Richtung Bahnhof Morteratsch.

Über knuspriges Eis geht es zügig hinunter zur Gemsfreiheit und über deren Blockgelände zum  Vadret da la Fortezza. Obwohl der Gletscher noch mit Schnee bedeckt ist, sind die Spalten gut sichtbar. Unten bei der Isla Pers angekommen versorgen wir Seil und Steigeisen und ziehen alle mögliche Kleiderschichten aus - was für eine Hitze! Als wir nach einer ausgiebigeren Pause über Blockfelsen und später auf gutem Weg zum Morteratschgletscher hinabsteigen, schwitze ich trotz leichter Bekleidung mit T-Shirt und Shorts, und der Anblick des grünen Gletschersees und der Wasserfälle ist eine Qual für unsere durstigen Kehlen. Weit ist es aber nicht mehr bis zum Bier im Morteratsch, auch wenn wir wegen des massiven und traurig stimmenden Gletscherschwundes der letzten beiden Jahre noch eine Felsstufe überwinden müssen, bevor wir auf den Wanderweg gelangen. Kurz nach fünf im Bahnhofrestaurant Morteratsch angekommen, geniessen die Getränke im Schatten umso mehr und freuen uns über die Tour, bei der einfach alles gepasst hat.


Gipfel            Piz Palü
Route Ostpfeiler
Ausgangspunkt  Berggasthaus Diavolezza
Höhe 3900 m
Schwierigkeit ZS+/III-IV

Führer

Hochtouren Topoführer Bündner Alpen, topo.verlag