Mit Matthias 18/06/17
Aufgrund eines falsch gestellten Weckers (meine Schuld!) geht es erst um 6:30 bei der Sittlisalpbahn los und wir haben leise Bedenken, ob dies an einem warmen Sommertag wie heute nicht zu spät ist. Der Strasse folgend kommen wir an der Brunnialp vorbei und verlassen diese dann kurz vor dem Chärschelenbach um auf einem schwach ausgeprägten Weg zum Chli Wäldli aufzusteigen. Von dort geht es über eine mit niedrigen Sträuchern überwachsene Geröllhalde und dann etwas steiler und buschiger zu Moräne beim Steinboden. So erreichen wir um 8:00 das Schneefeld beim Wandeinstieg. Hier trinken und essen wir etwas und montieren wir Helm und Gurt. Das Seil bleibt im Rucksack, und dank des weichen Schnees können wir vorläufig auch noch auf Steigeisen verzichten, nehmen aber den Pickel in die Hand.
So kommen wir bequem zur Rampe, die wir über mit Erde und Gras durchzogene Felsen ersteigen. Erst etwas links ausholend traversieren wir dann in leichter aber schöner Kraxelei über erstaunlich festen Fels nach rechts und erreichen das erste Schneefeld, das wir - immer noch ohne Steigeisen - überqueren. Stets die einfachste Variante wählend queren wir leicht aufsteigend weiter nacht rechts. Nicht immer sind wir sicher, ob wir wirklich richtig sind, aber jedesmal wenn wir kurz zweifeln, steht da plötzlich ein Steinmännchen. Ausserdem ist das Gelände nur selten exponiert und einfach genug, dass man jederzeit wieder hätte zurück klettern können. Es ist warm, ja schon fast heiss. Kein typisches Nordwandfeeling, aber wir beklagen uns nicht darüber!
So kommen wir unterhalb des zweiten Schneefeldes vorbei, klettern etwas nach oben, dann wieder eher nach rechts und kommen ohne zu eilen flüssig voran. Hier in der Wandmitte ist das Gelände von Regenfällen und Schmelzwasser gut ausgewaschen und es liegt nur wenig loses Geröll. Immer noch ist der Fels recht kompakt, trotzdem findet man stets gute Griffe und Tritte. Sobald die Kletterei schwierig wird, ist man falsch. Kurz vor 9:00 hören wir ein lautes Plätschern und erreichen ein paar Schritte später den berühmten Forellensprung. Wirklich eindrücklich, wie das Schmelzwasser den Fels geformt hat. Der Wasserfall zieht in einer Linie mehr oder weniger durch die ganze Wand.
Der Forellensprung markiert deutlich den Richtungswechsel - nun wird wieder nach links traversiert. Die Kletterei ist hier etwas steiler, bleibt aber entspannt; eine plattige Stelle ist deutlich eifacher, als sie im ersten Moment erscheint. Anschliessend steuern wir über weniger steiles, dafür ziemlich brüchiges Gelände mit viel losem Schutt den flachen Pfeiler im östlichen Wandteil an. Dort ist der Fels dann wieder steiler und kompakter und bietet schöne Kletterstellen. Einmal muss man sogar recht fein antreten. Nach meinem Empfinden ist dies die einzige IIIer-Stelle in der Route - vielleicht gäbe es aber auch hier einen leichteren Weg. Weiterhin ist es aber selten richtig exponiert und immer wieder steht man richtig gut und bequem.
Mal eher links, dann wieder eher rechts steigen wir auf dem schwach ausgeprägten Gratrücken hinauf in Richtung Felsnadel und kommen so zum Gipfelschneefeld. Hier machen wir auf einem grossen Podest eine Pause, essen Nusstorten und geniessen die Aussicht. Weiter geht es nun mit Steigeisen und Pickel. Erst etwas nach links um einen Felsaufschwung herum steigen wir über guten Trittfirn, die Pickelhauen gräbt sich tief in den Schnee und gibt Vertrauen. Nun geht es gerade hoch und die Waden beginnen etwas zu brennen... Schliesslich wird wieder nach rechts gequert, unter einem Stand in den Felsen durch zum rechten Ausstiegscouloir. Hier ist der Firn noch besser - wir müssen die Füsse nur hinstellen, die Zacken der Eisen graben sich von alleine in die Unterlage.
Um 11:10 erreichen wir so den Ausstieg der Wand und kommen endgültig in die Sonne. Dank guten Verhältnissen können wir den Hang ohne Höhe zu verlieren direkt traversieren. In der Mitte der ostwärts ausgerichteten Querung ist der Schnee allerdings schon sehr weich - schon unserer Vorgänger, die hier früh am Morgen vorbeigekommen sind, sind hier eingesunken. An dieser Stelle ein Dankeschön für die Spur, Cornel! Der Hang ist zum Glück zu wenig steil, als dass sich Nassschneelawinen gebildet hätten, somit waren unsere Befürchtungen, wir könnten zu spät dran sein zum Glück unbegründet.
Nach der Querung erreichen wir den Normalweg und steigen hinauf zu den Gipfelfelsen. Über eine kleine Stufe und losen Schutt kommen wir zu leichten, mit Stangen und Ketten versehenen Kletterstellen und schliesslich über einen kurzen Firngrat zum Gipfel, wo wir ausgiebig Rast machen - jetzt um 11:30 ist ja auch Mittagszeit! Es geht zwar ein leichter Wind, aber kalt ist es nicht, so geniessen wir die grossartige Sicht, die bis zu den Walliser Bergen reicht.
Nach dem Abstieg über die Felsen steigen und rutschen wir ohne Steigeisen bequem ohne Felskontakt und mit nur wenigen Schritten Gegenanstieg über die Firnflanke zum Ruchchälenpass ab. Von hier geht es zuerst auf Wegspuren über Geröll, und anschliessend auf perfekten Ruschschnee abwärts - so können wir gut 600 Höhenmeter am Stück Schneefeldrutschen! Wir folgen den Spuren unserer Vorgänger bis ans Ende der Chälen, danach steigen wir über Geröll hinunter zum Steinboden. An einem mit schönen Kristallen überzogenen Felsblock vorbei gelangen wir Wegspuren folgend durch die schöne Bergflora zur Strasse ab. Beim Beizli auf der Brunnialp darf dann natürlich Bier, Käse und ein feines "Ürnerwürschtli" nicht fehlen! Anschliessend geht es zurück zum Auto und an den Urnersee, wo ein kühles Bad die Regeneration einleitet. Wie schön haben wir es doch in der Schweiz, mit so vielen leicht erreichbaren und trotzdem noch einsamen Touren!
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