Aiguille du Midi (3842 m) – Frendopfeiler

Mit Holmger                                                                                                                                     09/07/2023

Frendopfeiler, Frendo spur, Chamonix, Aiguille du Midi, Nordwand, North face
Der Frendopfeiler im Abendlicht mit dem ungefähren Routenverlauf.

Zu Beginn unserer Ferien zeichnet sich ein kurzes stabiles Wetterfenster ab. Zu kurz für richtig grosse Unternehmungen, aber gerade richtig für eine Tagestour im Anschluss an die Anreise an unseren Ferienstartort Chamonix. Den Frendopfeiler hatten wir aus der Bahn zur Aiguille du Midi schon öfters mit Sehnsucht betrachtet und die Bedingungen scheinen zumindest eine Woche vorher sehr gut gewesen zu sein. Dass sich dies durch die aktuelle Hitze eher zum Schlechten verändert hast, ist uns klar, aber wir schätzen die Bedingungen als noch gut genug ein.

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Luxusbiwak - die Bahn macht's möglich...

Nach den letzten Ferienvorbereitungen reisen wir nach Chamonix und mit der Bahn zur Plan de l'Aiguille. Wie gut, endlich der Hitze zu entfliehen! Etwa 15 min von der Mittelstation entfernt stellen wir in Nähe des Lac Bleu  unser Zelt auf. Da wir dieses nicht auf die Tour mitschleppen müssen, sondern ganz einfach nach der Tour hier wieder abholen können, ist Luxusbiwakieren angesagt! Der Rest des Tages vergeht mit Wasser holen und kochen, Routenstudium und Entspannen an der Sonne - es sind schliesslich Ferien!

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Wasser kochen, Rucksack packen, Routenstudium - so sieht entspannte Tourenvorbereitung aus!
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kurze Seraczone im Zustieg

Kurz vor halb fünf gehen wir los und steigen auf meist gutem Weg auf der nach rechts steil abfallenden Moräne auf. Eine erste Abzweigung nach rechts lassen wir nach kurzen zögern aus und nehmen erst die zweite, etwas weniger ausgeprägte. Auf sich zunehmend verlierenden Wegspuren und über Blöcke erreichen wir  horizontal traversierend den stark zerschundenen Gletscher und seilen uns an. Zum Glück lässt sich die Seraczone leichter überklettern, als es erst den Anschein macht, und wir erreichen das kegelförmige, steile Schneefeld links des Frendopfeilers. Ob die untere Abzweigung die schnellere und leichtere gewesen wäre, ist schwer zu sagen. Die Seraczone wäre uns erspart geblieben, jedoch hätten wir möglicherweise über abschüssige, nasse Platten klettern müssen. Mit unserer Variante haben wir uns jedenfalls so kurz wie möglich in der stein- und eisschlagexponierten Zone aufgehalten.

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Diese ist zum Glück kurz und einfacher, als sie zuerst aussieht.
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gegen Ende der nach rechts führenden Einstiegsrampe

Der Schnee im Aufstieg zum Pfeiler ist total nass aber sehr kompakt - das Aufsteigen könnte nicht leichter sein. Auch der Bergschrund ist mit einen Schritt gut zu überwinden und in der anschliessenden steilen Einstiegsrampe können wir einer alten Spur folgen. Ein paar apere Stellen mit brüchigem Fels erfordern etwas Vorsicht, sind aber problemlos. Kurz vor halb sieben erreichen wir nahe dem Ende der Rampe den Übergang in den Fels und verstauen Steigeisen und Eisgeräte. Schon jetzt ist es unglaublich warm.

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Hier geht es irgendwo rauf - aber nicht dort, wo das Fixseil hängt.

Nach ein paar Metern leichter Kraxelei erreichen wir das Ende der Rampe und folgen einer neuen, nach links ziehenden Rampe. Hier muss ein erster (für kurze Beine) etwas kniffliger Kletterschritt auf eine gut strukturierte Platte gemacht werden, dann wird's wieder leichter. Gegen Ende der Rampe ist der Wegverlauf etwas unklar, hier gibt es viele Möglichkeiten, wovon auch unzählige, wild verstreute  Schlingen zeugen. Wir erwischen wohl nicht  die einfachste Route, diese liegt vermutlich noch unter einem Schneefeld. Alles in allem findet man den Weg aber gut, wenn man genau nach Abnutzungsspuren Ausschau hält.

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tolle, steile Kletterei hinauf zur Pfeilerkante

Nun kommen ein paar steilere, cool zu kletternde Passagen in gutem Fels, dann stehen wir vor der ersten Schlüsselseillänge (5b oder 5c, je nach Routenwahl), welche an ihrem oft abbildeten, nach rechts verlaufenden Riss gut erkennbar ist. Zeit für eine Pause und einen Wechsel  auf Kletterschuhe und Standplatzsicherung. Wir entscheiden uns für die etwas schwerere dafür gut  absicherbare direkte Variante. Hier kann man sich entweder mit den Füssen plattig anstehend an  einem Untergriff nach rechts zur Kante bewegen, oder aber man zieht sich an der fixen Schlinge direkt hoch (zweiteres geht auch mit Bergschuhen gut). So oder so zieht man sich zuletzt um die Kante auf einen luftigen Grat.

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Die erste Schlüsselseillänge – rechts von Holmgers Arm befinden sich die Untergriffe, an denen man sich hocharbeiten kann. Alternativ klettert man einfacher aber nicht absicherbar entlang des Risses unten rechts im Bild.
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Die selbe Stelle von oben (Foto: H. Ullrich)
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Auf der luftigen Kante angekommen (Foto: H. Ullrich)
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immer wieder schöne Kletterstellen im leichten Mittelteil des Pfeilers

Nun wird's wieder deutlich leichter. Nach ein paar Metern Abklettern erreichen wir die Pfeilerkante. Auf dieser oder leicht rechts davon geht es in II-er-Gelände gespickt mit ein paar schönen Stellen im 3. oder 4. Grad aufwärts. Punktuell legen wir Sicherungen, gehen aber wieder alles simultan. Toll, der Fels hier! Wir steigen so zügig, dass die Oberschenkel brennen – die Säcke sind ja nicht gerade super leicht, dazu kommen all die Schlingen des verkürzten 60 m Seils. Unterdessen klettern wir an der Sonne und es wird richtig warm.

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Dito
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kurz vor der zweiten Schlüsselseillänge (Pfeil)

Wir erreichen den markanten Einschnitt des Pfeilers.  Dahinter befindet sich die zweite Schlüsselseillänge (5c), eine schöne Verschneidung die mir dank diversen Rissen und Trittmöglichkeiten einfacher erscheint als die erste Schlüsselseillänge. Zu Beginn der Seillänge befindet sich ein Schlingenstandplatz, dieser ist allerdings ziemlich weit links der Route und schwer zu erreichen. Es ist deutlich einfacher, an einem Block direkt vor (rechts) dem Einstieg in die Verschneidung Standplatz zu beziehen.

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Holmger beim Standplatz vor der 5c-Länge. Der Standplatz links im Bild (Pfeil) sieht zwar bequem aus, liegt aber etwas ab vom Schuss.

Nach der schön zu kletternden Länge wird das Gelände wieder einfacher, es muss aber  stets geklettert werden. Nun ist es so heiss, dass ich mir einen Chalkback wünsche! Nicht immer ist die beste Route direkt ersichtlich, einmal geht es etwas unerwartet und abdrängend rechts um eine Kante. Hier ist der Fels ausnahmsweise brüchig und dem Steinschlag ausgesetzt, man findet aber einige Schlaghaken, die einem bestätigen, richtig zu sein. Zuletzt klettern wir Schlingen folgend ein paar Meter rechts des Pfeiler hinab,  wo sich allerdings nur ein Biwakplatz befindet. Nach einer traversierenden Seillänge sind wir aber wieder back on track und kommen kurz vor halb elf zu einem riesigen Biwakplatz direkt vor dem Übergang in den Firnteil (irgendjemand hatte seine Polenta nicht aufgegessen...). Hier machen wir eine ausgiebige Pause und stellen überrascht fest, dass sich oberhalb von uns noch weitere Seilschaften befinden, die hier biwakiert haben mussten.

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kurz vor Erreichen des Firngrates, eingezeichnet der Routenverlauf ab dem grossen Biwakplatz (Foto: H. Ullrich).

Mit Steigeisen und Pickel geht es weiter. Da wir das Seil im Eisteil wieder brauchen würden, verzichten wir daran, es wegzupacken, auch wenn vorerst keine Sicherungsmöglichkeiten vorhanden sind. Der Schnee ist weich und tief, zum Glück aber kompakt genug, dass er trotz der Steilheit nicht wegrutscht. Zudem können wir der guten Spur unserer Vorgänger folgen. Nach einem kurzen Abstecher zurück zum Felsgrat gelangen wir steil aber problemlos auf den scharfen Firngrat. Einfach toll, diese abwechslungsreiche Tour!

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Was für eine tolle Tour! Nur eigentlich viel zu warm für eine Nordwand (Foto: H. Ullrich)
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auf dem schmalen aber heute sehr einfachen Firngrat

Der Firngrat steilt sich zunehmend auf und wird eisiger, bis der Schnee in Firn übergeht. Anders als erwartet können wir am Felsblock, bei dem sich unsere linke Ausstiegsvariante von der rechten verzweigt, keine Sicherung anbringen. Dies bleibt leider so, denn die morsche Auflage aus einem Firn-Eis-Gemisch ist zu dünn und/oder mit so viel Dreck und Kies durchmischt, dass sie einfach wegbröselt... Weder Eisgeräte noch Steigeisen finden einen vertrauenserweckenden Halt. Die arg brüchigen oberen Begrenzungsfelsen sind auch keine Alternative – zumindest bei den aktuellen Temperaturen. Ab und zu löst sich hier sogar spontan ein Stein und kollert den Hang runter. Zum Glück sind wir in perfektem Abstand zu den vorausgehenden Seilschaften. Sie sind schon zu weit links, um uns zu bewerfen, wir können uns aber noch ihre Routenwahl abschauen. Diese Traverse wäre mit mehr Firn sicher deutlich einfacher. Dafür haben wir trockenen Fels und waren bis jetzt trotz Ferien und Sonntag ganz allein unterwegs.

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Die Traverse ist bei den aktuellen Verhältnissen eher unangenehm (Foto: H. Ullrich).
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leichtes Gelände, bevor es dann richtig steil wird (dort, wo sich die eingekreisten Bergsteiger befinden).

Nach etwa 80 m unangenehmem Traversieren erreichen wir schliesslich die linken Begrenzungsfelsen. Über diese geht es nun wieder einfach und zügig aufwärts, bevor wir den steilsten Teil des Eisaustiegs erreichen. Hier ist das Eis zum Glück super bissig (sogar ziemlich nass...) und es macht grossen Spass zu klettern! Dank den guten Bedingungen (und evtl. dank dem vielen Eisklettern im Winter) können wir hier alles simultan gehen. Vielen Dank nochmals an die Seilschaften, die uns so nett vorbeigelassen haben!

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Blick zurück auf den steilen Abschnitt
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Was für eine Hitze! Die Jacke dient heute nur als Sonnenschutz.

Schliesslich erreichen wir über einen Schneehang den Sattel, wo sich unsere Route mit dem normalen Aufstieg zur Bahnstation vereinigt, den wir von früheren Touren gut kennen. Auch hier ist vom angesagten starken Nordwestwind kein Hauch zu spüren. Wir wechseln ein paar Worte mit einer finnischen Seilschaft, die wir hier eingeholt haben und ich bewundere, mit welch grossen Säcken sie die Route geklettert sind. Die Biwanacht sei die Mühen aber wert gewesen, meinten sie. Mit unterdessen etwas müden Beinen steigen wir zur Bahnstation auf, und klettern kurz nach 14:00 Uhr zufrieden  über das Gitter. 

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Im Hintergrund: Der Frendopfeiler. Im Vordergrund: Legende Jain Kim klettert zu ihrem 30. Weltcupsieg.

Leider bin ich auf der Talfahrt irgendwo in der Mitte eingepfercht – zu gern hätte ich aus der Gondel auf unsere Spur hinab geschaut! Ansonsten klappt aber alles reibungslos. Bei der Mittelstation gönnen wir uns Bier und Heidelbeerkuchen, bevor wir unser Zelt abbauen und nach Chamonix fahren, wo wir nach dem Znacht  das Finale des Kletterweltcups schauen – und dabei natürlich immer wieder einen Blick zum Frendopfeiler werfen, der die Bühne einrahmt. Was für ein perfekter Ferienstart!


Gipfel:           Aiguille du Midi
Route: Frendopfeiler

Ausgangspunkt:

 

 

 

 

Plan de l'Aiguille (Mittelstation), Biwakplätze oder Refuge. Bei tiefen Temperaturen und entsprechendem Können  kann die Tour auch mit der ersten Bahn unternommen werden (Steinschlag beim Zustieg!) Alternativ kann zuoberst am Felspfeiler biwakiert werden.
Höhe: 3842 m 
Schwierigkeit: S, 5c, 80° (linke Variante)

Führer:    

Hochtouren Westalpen Band 2 (Eberlein/Gantzhorn)

Material:

 

 

 

 

Gletscherausrüstung, 40-50 m Einfachseil, 2 Eisgeräte, 6-7 Eisschrauben, Cams 0.3-3, evtl. Keile. Man kommt auch mit deutlich weniger Felssicherungsmaterial aus, da wir aber bis auf die beiden Schlüsselseillängen alles simultan gingen, waren wir froh um genügend Material, um nicht ständig tauschen zu müssen.