Jungfrau (4158 m) – Rotbrättgrat

Mit Matthias                                                                                                                                                                                                                14/08/16

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Auf dem landschaftlich schönen Zustieg zur Silberhornhütte

Während die Besteigung der Jungfrau auf dem Normalweg vom Jungfraujoch aus eine kurze Tour darstellt, so muss man sich die Höhenmeter bei der Route über den Rotbrättgrat verdienen. Das beginnt schon am Vortag bei Zustieg zur Silberhornhütte - andererseits ist schon dieser Zustieg und die Übernachtung in der unbewarteten Hütte eine Tour wert! Wir fahren kurz vor acht in Baden los, parkieren das Auto im Parkhaus Lauterbrunnen und nehmen das Postauto um 10:05 nach Stechelberg Hotel. Von dort steigen wir gemütlich auf gutem Weg auf, wobei wir an diesem heissen Tag froh sind, dass uns die Sonne noch nicht erreicht hat. Nach etwa 2 h machen wir Bim Chalten Brunnen ausgiebig Mittagsrast und essen grosse Sandwiches.

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Blick zur Hütte

Kurz danach zweigt unser Weg vom Hüttenweg der Rottalhüttal ab und wird interessanter und exponierter. Auf schmalen, mit Felsen durchsetzten Bänder führt der Pfad um den Mälchstuel herum, dabei müssen auch ein paar mit Ketten ausgerüstete Stufen überwunden werden. Der Weg ist aber bestens markiert, auch gegen Ende, wo er über eine riesige, imposante Kalkplatte führt - von hier kann man auch die Hütte sehen. Zum Schluss geht es noch steil über eine Leiter, dann erreichen wir kurz nach halb drei die Hütte (ca. 3 h 40 reine gemütliche Marschzeit).

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Abendstimmung auf der Silberhornhütte

Den Rest des Nachmittags verbringen wir mit Routenstudium, Wasser holen, Kochen, Sonne geniessen und mit den anderen Berggängern schwatzen. Ausser uns will noch eine andere Zweierseilschaft den Rotbrättgrat machen, 2 weitere Bergsteiger haben den Nordwestgrat aufs Silberhorn geplant und drei junge Leute der lokalen SAC Sektion machen einfach einen Hüttenbesuch. Nach viel Pasta geniessen wir ein paar Stunden Schlaf, bevor wir dann kurz nach vier Uhr aufstehen, Frühstücken und kurz vor 5 im Stirnlampenlicht losgehen.

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Ungefährer Routenverlauf wie wir ihn gewählt haben (etwas zu hoch an die Kette)

Der erste Abschnitt ist einfach und gut mit Steinmännchen markiert. Auch das Schmelzwasser, das überall über die Steinplatten läuft stört überhaupt nicht, denn die Reibung auf den Kalkplatten ist gut. Bei Vereisung wäre dieser Abschnitt aber äusserst heikel und würde enorm viel Zeit beanspruchen. Nach einer halben Stunde sind wir beim ersten Schneefeld, das wir rechts umgehen. Die Kraxelei ist auch hier noch leicht, erfordert aber Aufmerksamkeit, denn der Fels ist so brüchig wie sein Ruf, und sichern ist hier auch nicht möglich, somit bleibt auch unser Seil noch im Rucksack. Dank vereinzelten Steinmännchen und etwas Spürsinn finden wir eine gute Route und sind nach einer weiteren halben Stunde beim zweiten Schneefeld. Unterdessen ist es auch hell geworden - genau wie geplant :-).

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Aufstieg über das zweite Schneefeld, unten im Sattel die Silberhornhütte

Wir montieren die Steigeisen und gelangen dank diesen bequem über das steile Firnfeld gerade nach oben. Allerdings steigen wir hier, wie wir später merken, etwas zu weit auf und queren zu spät nach rechts in die Felsen. Nun wird die Kraxelei nämlich recht anspruchsvoll, dazu in gemischtem Gelände über mit Eis überzogene Felsen, die immer noch brüchig und nicht absicherbar sind. Dass wir nicht den besten Weg gewählt haben, merken wir, als wir die im Topo vermerkte Kette an ihrem oberen Ende erreichen. Immerhin sind wir nun sicher auf dem richtigen Weg, der weitere sollte nun leichter zu finden sein. 

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Der Eiger aus ungewohnter Perspektive

Nun seilen wir an und überwinden ein kurze Stufe, bevor wir dem leicht abwärts führenden Band folgen. An dessen Ende kommt nochmals eine etwas heikle, plattig-abdrängende Stelle, dann haben wir breiten Riss erreicht. Auch hier wählen wir vermutlich nicht die im Führer verzeichnete Variante, sie geht aber sehr gut. Die Felsen sind immer noch brüchig, es gibt aber ein paar stabile Stellen, wo sich Sicherungsmittel platzieren lassen. In schöner Verschneidungkletterei inklusive einem heelhook-rollover-move überwinden wir so die ca. 40 Meter lange Kletterstelle. 

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Das Fellenbergflüeli

Danach wird der Grat leichter und flacher - trotzdem ist Vorsicht geboten, denn hier sind einige Felsen mit Wassereis überzogen. Ausserdem ist er immer noch äusserst brüchig. Obwohl wir und die andere Seilschaft sehr sorgfältig gehen, werden wir mehrmals von Steinen getroffen - ausser einem kaputten Handy, Platzwunden und blauen Flecken passiert zum Glück nichts, es zeigt uns aber, wie schnell etwas schief laufen könnte. An diesem Grat ist man mit Vorteil alleine unterwegs. Nach einem kurzen flachen Gratabschnitt kommen wir zum Fellenbergflüeli, das wir dank dicken Tau leicht überwinden können. Die Stelle ohne Sicherungsmöglichkeit frei zu klettern wäre etwas ganz anderes gewesen. Kein Wunder musste Edmund von Fellenberg damals hier umdrehen (und den ganzen brüchigen Grat zurück klettern!).

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Für einmal entspanntes Gehen - im Hintergrund das Goldenhore

Über leichte Felsen gehen wir weiter und queren dann in die etwa 45° steile Firnflanke des Goldenhorens. Der Trittfirn ist perfekt griffig, nur eine kurze Stelle ist blank; ab und zu verstecken sich ein paar glatte Felsen unter der dünnen Firnauflage. Zuoberst wechseln wir dann auf den mit Firn durchzogenen Felsgrat und erreichen um 9:15 das Goldenhore. Was für eine Panorama tut sich uns hier auf! Nicht nur die Verhältnisse, auch das Wetter könnte kaum besser sein. Wir überschreiten das Goldenhoren und nach einigen Höhenmeter Abstieg folgt der Gegenaufstieg zum Silberhorn und weiter zu Punkt 3707 - auch hier perfekter Trittfirn.

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Am Punkt 3707 beginnt der schöne Gneisgrat, danach folgt der Aufstieg über den Hochfirn.

Nun folgt wieder ein Felsgrat - diesmal aber in stabilem, griffigem Gneis! Die Kletterei ist leicht und purer Genuss. So erreichen wir bald den Hochfirn, über den die verbleibenden fast 500 Höhenmeter überwunden werden müssen. Eine steil aussehende Stufe erweist sich dann als sehr harmlos. Weil ich stark erkältet und deshalb nicht super fit bin, nehmen wir es eher gemütlich und machen auch mal etwas ausgiebiger Pause. Der Firn ist immer noch hart aber griffig, so kommen wir gut voran. Erst zuoberst wird der Schnee tief - hier hat aber zum Glück schon die Seilschaft die über den Nordwestgrat zum Silberhorn aufgestiegen ist gespurt - danke! Die letzten Höhenmeter fordern dann nochmals etwas Konzentration, während wir über die steile Firnflanke in gemischtem Gelände aufsteigen, dann erreichen wir den Grat und damit die Spur des Normalwegs.

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Auf dem schönen und leichten Gneisgrat

Nach wenigen Metern erreichen wir so bequem kurz vor 12 den Gipfel. Inklusive Pausen haben wir also weniger als 7 h gebraucht, deutlich weniger als der im Führer vorgeschlagenen 8-12 h. Allerdings ist der Schnee auf dem südexponierten Normalweg schon jetzt recht nass - später möchten wir heute nicht dran sein. So steigen wir konzentriert in guter Spur zum Rottalsattel ab. Unterhalb des Sattels beginnen wir tatsächlich vier Spanieren, die noch im Aufstieg sind. Sie sind allerdings selbst etwas im Zweifel und fragen uns nach unserer Meinung. Wir raten zur Umkehr, gleichzeitig löst sich am Gipfelhang ein Nassschneerutsch, somit ist die Entscheidung klar. Wir steigen weiter ab. Der Direktabstieg ist uns bei diesen Verhältnissen zu heikel, so müssen wir am Schluss die Gegensteigung zum Stollenloch in Angriff nehmen, was uns aber nicht gross stört, so lange sind wir ja noch nicht unterwegs. Nach einem wohlverdienten Bier fahren wir mit der halb 3 Bahn nach Lauterbrunnen und gönnen uns dort bei der Bäckerei Kaffee und Kuchen, bevor wir wieder nach Baden reisen.

 

FAZIT: Eine eindrückliche, landschaftlich fantastische, alpine Tour. Sie ist nie wirklich schwierig (IV/45°), aber über weite Strecken nicht absicherbar und wirklich brüchig. Am besten ist man alleine unterwegs. Da der erste Abschnitt bei Vereisung äusserst heikel/unmöglich ist, wählt man mit Vorteil Tage an denen der Gefrierpunkt in der Nacht davor nicht unter 3000 Meter liegt. Das hat natürlich dann den Nachteil, dass der Abstieg über den nicht unheiklen Normalweg schon weich ist. Da die Orientierung im ersten Abschnitt im Dunkeln nicht einfach ist, sollte man zügig unterwegs sein.


Gipfel:            Jungfrau
Route: Rotbrättgrat, Rotbrettgrat
Ausgangspunkt:  Silberhornhütte
Höhe: 4158 m
Schwierigkeit: S

Karte/Führer:

Hochtouren Topoführer Berner Alpen (topoverlag), gute Infos auch hier