Überschreitung Schreckhorn (4078 m)-Lauteraarhorn (4042 m)

Mit Philipp                                                                                                                                                                                                                     22/07/19

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Der anstrengende aber schöne Weg zur Schreckhornhütte ist auch ohne Gipfelbesteigung eine Wanderung wert.

Schreckhorn und Lauteraarhorn sind beides Viertausender, die man sich verdienen muss. Dies beginnt schon beim nicht gerade kurzen und teils steilen Zustieg zur Schreckhornhütte. Die wilde Landschaft mit den zerklüfteten Gletscherzungen und -abbrüchen lenkt aber von den Mühen ab. Ausserdem haben Philipp und ich uns schon lange nicht mehr gesehen und viel zu erzählen. So vergeht der Zustieg wie im Flug, und trotz gemütlichem Tempo und zwei Pausen kommen wir nach 3.5 h auf der Hütte an, wo wir entspannen und uns einen kurzen Powernap gönnen um etwas Schlaf nachzuholen, welcher im hektischen Berufsalltag manchmal etwas zu kurz kommt. Zusammen mit nur elf anderen Gästen geniessen wir ein fantastisches, griechisches Vor- und Hauptspeisenbuffet und legen uns bald hin - die Nacht wird kurz sein, um 2:00 gibts Frühstück.

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Die Route im Überblick, aufgenommen im Winter von der Berglihütte aus

Dieses wird dann eher lustlos runtergedrückt und um 2:22 Uhr gehen wir los; über die Moräne runter auf den Gletscher und über diesen zu zwei von weitem sichtbaren Katzenaugen, die den Aufstieg Richtung Gaag markieren. An zwei Stellen bedecken Schneefelder die Wegspuren im Geröll, was die Wegfindung etwas erschwert, das GPS gibt uns aber die Bestätigung richtig zu sein, so kommen wir um 4:00 Uhr zum Gaag, wo wir uns für die Traverse über den Schreckfirn anseilen und ausserdem zwei Jacken anziehen, denn es ist windig und kalt. Da wir nach dem Regenwetter die ersten sind, die den Gletscher queren, können wir keinen Spuren folgen. Bis auf einen kleinen Umweg um eine Spalte herum finden wir aber direkt zum mit einem roten Punkt markierten Einstieg. Der Übergang auf den Fels geht problemlos und während es dämmert klettern wir los.

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Back on track auf dem Gneisspfeiler zur Schulter des Schreckhorns (Foto: P. Kohler)

Am auf ca. 15 m verkürzten 30 m Seil klettern wir simultan und legen wo wir es für vernünftig halten Zwischensicherungen, wobei wir uns beim Vorausgehen abwechseln. Nach einem ersten Aufschwung halten wir nach der im Topo als nach links verlaufenden eingezeichneten Rippe Ausschau. Wäre diese als "roter kompakter Pfeiler" eingetragen gewesen, hätten wir die Route sofort gefunden, so aber überqueren wir fälschlicherweise das ausgewaschene Couloir und suchen dort nach der Route. Erschwerend  kommt hinzu, dass der Berg in dicke Wolken gehüllt ist. Schliesslich wird aber klar, dass wir wieder zurück müssen, und nach ca. 30-40 Minuten Zeitverlust kommen endlich in den Genuss der herrlichen Kletterei in kompakten, gutgriffigen Gneiss. Ich jauchze vor Freude! Die Kraxelei ist leicht und verlockt dazu, viel zu schnell zu steigen, was dann in Atemlosigkeit und übersäuertem Beinen resultiert...

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Bei der Schulter im Aufstieg zum Schreckhorn, im Hintergrund imposant das Finsteraarhorn
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Weiterhin fantastische Kletterei von der Schulter zum Gipfel des Schreckhorns

Nach einer kurzen Pause auf der Schulter gehts in ähnlichem Stil weiter. Die Routenfindung ist weiterhin offensichtlich. Blöderweise löst sich aus unerfindlichen Gründen plötzlich mein Pickel vom Rucksack und donnert die Schreckhorn-Westwand runter... Hoffentlich brauch ich den nicht mehr auf der Tour! Immerhin fällt er in eine Richtung, wo er keine nachfolgenden Tourengänger treffen kann. Kurz nach 8 Uhr erreichen wir den Gipfel. Was für eine Aussicht bietet sich hier! Die Aussicht zum Lauteraarhorn, beziehungsweise das Wissen, dass wir nun erst einen kleinen Teil der Tour geschafft haben lässt und bald weitergehen. Nach ein paar leichten Metern über den Grat müssen wir in die äusserst brüchige Nordflanke des Schreckhorns queren. Die im Topo vermerkten Eisenstangen finden wir nicht, so erwischen wir vielleicht nicht den besten Weg. So oder so wird der Abstieg zum Schrecksattel  aber zu einem Eiertanz über plattige, lose Felsen und Schutt, und wir sind froh, um halb zehn endlich im Sattel anzukommen. 

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Blick vom Gipfel des Schreckhorns über den Lauteraargrat zum Lauteraarhorn
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Typische Kletterei kurz nach dem Schrecksattel

An mit unzähligen Glasscherben übersäten Biwakplätzen vorbei geht es vorerst noch einfach über den hier wieder kompakten Grat. Die erste Stelle, die uns kurz ins Zögern bringt ist ein kurze Abkletterpassage über eine Platte mit Riss. Sie stellt sich dann als leichter heraus als befürchtet, aber Abwärtspiazen ist halt schon ziemlich ungewohnt... Anfangs ist es kalt und windig und wir frieren. So sind wir froh, nach einer längeren schattigen Passage auf die sonnige, windgeschütze Südseite zu gelangen, wo mildere Bedingungen und auch "mildere" Kletterei herrschen...

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Die kniffligsten Stellen sind oft die, die von den Türmen runter in die nächste Scharte führen.

Weiterhin gehen wir praktisch immer simultan, legen Zwischensicherungen in Form von Cams oder Zackenschlingen und tauschen den Vorstieg, wenn uns das Material ausgeht oder wir müde sind. Die Kletterstellen sind zwar nie besonders schwierig, und stürzen sollte beim simultanen Gehen ja weder Vor- noch Nachsteiger, aber hinten nachzugehen und nicht stets die Route suchen zu müssen entspannt etwas den Kopf. So überwiegt am Anfang der Tour das "darf ich mal voraus?", während gegen Schluss immer stärker das "ok, ich geh wieder mal ein Stück voraus" dominiert... Gerade auf so einer Tour ist es Gold wert, ein eingespieltes Team zu sein. Die Wegfindung ist einfach, alle Türme werden überklettert und wenn ausnahmsweise mal eine Spitze umgangen werden kann, ist das offensichtlich. Die kniffligsten Passagen sind oft diejenigen, bei denen man von Türmen abklettern muss. Abseilstellen sind in diese Richtung keine eingerichtet; wenn man den Grat vom Lauteraarhorn zum Schreckhorn unternimmt gibt es mindestens zwei davon. Von einem Turm seilen wir trotzdem ab indem wir das Seil um einen Felszacken legen - eine entsprechende Kerbe zeugt davon, dass wir nicht die ersten sind, die das hier so machen.  

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Meist kompakte Kletterei auf dem Lauteraargrat, und allmählich rückt das Schreckhorn weiter weg.

Zwei oder dreimal wechseln wir auf Standplatzsicherung, so auch beim  leicht überhängenden Turm, wo (abgesehen von den Abseilstellen in Gegenrichtung) die einzigen zwei Schlaghaken der ganzen Überschreitung stecken. Um diese bin ich dann auch froh, denn als ich nach dem zweiten Haken kräftig weiterziehen will um über die steile Stelle zu kommen, bricht ein Griff aus und ich hänge etwas verdutzt im Seil... Umso vorsichtiger klettere ich dann weiter, denn weiter oben möchte ich nicht mehr stürzen. Meist aber ist der Fels schön und kompakt. Viele Türme sehen auf den ersten Blick steil und schwierig aus, es finden sich aber stets gute Tritte und Griffe und die steilsten Partien lassen sich oft umschleichen. Nur wenige Stellen erreichen den vierten Grad. Allerdings kann man auch kaum je einen Schritt aufrecht gehen, so zieht sich der Grat wirklich sehr in die Länge...

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Blick vom Gipfel des Lauteraarhorns zurück zum Schreckhorn

Gegen Ende der Überschreitung führt die Route über einen kurzen Firngrat - heute die einzige schneebedeckte Stelle auf dem Lauteraargrat und eigentlich problemlos. Pickellos wie ich nun unterwegs bin, bin ich aber froh, dass Philipp mich über die letzte, steile und etwas eisige Stelle sichert. Von nun an ist die Kletterei etwas leichter und somit flüssiger, und der Gipfel kommt näher. Was für eine Freude, als wir ihn dann kurz nach 14:00 erreichen! Hier gönnen wir uns eine ausgiebige Pause und Gipfelcola.

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Im Schraubengang (Foto: P. Kohler)

Über den anfangs noch schön kompakten und mit leichten Kletterstellen gespickten Normalweg steigen wir ab und finden problemlos den Punkt, wo wir den Südostgrat verlassen müssen um auf die Abstiegsrippe zu gelangen. Den Abzweiger in den Schraubengang suchen wir dann zuerst etwas zu weit oben, eigentlich ist er aber offensichtlich und gut mit Steinmännchen markiert. Leicht ansteigend traversieren wir hinüber zur Schneeschulter. Das Gelände ist nicht schwierig, wegen viel losem Schutt ist aber Vorsicht geboten. Das Seil stört uns hier mehr als es nützt und wir stecken es weg.

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Blick zurück zu Gipfel des Lauteraarhorns (Foto: Philipp Kohler)

Die Schneeschulter ist auch ohne Pickel gut machbar. Es folgt nun Kletterei auf dem Grat oder in der mit Sicherungsstangen versehenen Flanke in äusserst brüchigem, abschüssigem Gelände. Die Route ist hier nicht einfach zu finden, wenn man sie nicht schon im  Aufstieg gemacht hat. Der Abstieg zum Strahleggpass zieht sich somit unglaublich dahin. Klar, wir sind wirklich müde, aber so einen mühsamen Abstieg habe ich noch selten gemacht...

Nach einem angenehmen Schneefeld beim Strahleggpass und weiterem Abklettern erreichen wir schliesslich das Gaag. Endlich befinden wir uns nicht mehr in Absturzgelände! Einen grösseren Teil des Abstiegs können wir über ein Schneefeld erleichtern, an dessen Ende auch ein Bach  erfrischendes Wasser bietet - herrlich! Kurz nach 20:00 erreichen wir dann die Hütte, wo uns ganz selbstverständlich noch ein feines Nachtessen inklusive Ouzo serviert wird, welches wir mit zwei Briten teilen, die das Schreckhorn bestiegen haben. So lassen wir - zufrieden über die Tour - den Tag ausklingen und sinken bald ins Bett.

 

Weitere Bilder von Philipp Kohler hier


Gipfel:            Schreckhorn - Lauteraarhorn
Route: Lauteraargrat
Ausgangspunkt:  Schreckhornhütte
Höhe: 4078 m - 4042 m 
Schwierigkeit: S+
Material 30 m Seil, 4 Cams 0.3-1, Zackenschlingen
Karte/Führer: Hochtouren Topoführer Berner Alpen (Silbernagel)