Stockhorn (2190 m) – Mülloch

Mit Holmger                                                                                                                                                    20/11/22

Stockhorn Nordwand, Mülloch, Tschabold, Drytooling, mixed climbing
Bequemes Ausrüsten auf der Restaurantterrasse. Oft sind Steigeisen auch schon im Zustieg angenehm.

Nach einem schönen Sportklettertag im Lehn steht uns der Sinn nach etwas Alpinem, für Skitouren liegt aber noch zu wenig Schnee, in den grossen Nordwänden ist er zu schlecht verfestigt und das Wetter ist auch nur so halbgut. Ein perfekter Tag für eine Route aus dem "Dry Tooling et Mixte, Suisse ouest"-Führer. Aufgrund ihrer Nähe fällt die Wahl auf die Mülloch-Route in der Stockhorn Nordwand. Als wir um 8:50 in die erste Gondel der Stockhornbahn steigen, staunen wir nicht schlecht darüber, wie voll diese ist. Zwar haben die meisten Leute offensichtlich das Panormarestaurant als Ziel, wir zählen aber doch über ein Dutzend Rucksäcke mit aufgebundenen Eisgeräten. Zum Glück gehören die meisten Träger dieser Rucksäcke zu einem Nachwuchsteam, das am Wandfuss trainiert und nicht in die Müllochroute einsteigt. Schliesslich teilen wir die Route mit drei weiteren Seilschaften – mit etwas Ansturm muss am Wochenende auf den leichtere Routen also schon gerechnet werden.

Stockhorn Nordwand, Mülloch, Tschabold, Drytooling, mixed climbing
Im knapp 15-minütigen Zustieg zum Einstieg.

Auf dem schnee- und eisbedeckten Wanderweg steigen wir nach Westen zu Punkt 2042 ab und folgen dem Weg weiter nach Nordosten, bevor wir ihn verlassen und unter der Wand bis zum Einstieg der Route queren. Die im Topo vermerkte Plakette mit dem Namen finden wir zwar nicht, anhand des Fototopos ist der Einstieg aber unverkennbar. Kurz etwas trinken, Material an den Gurt und los geht's!

Seillänge 1 (M3) quert stark nach rechts und beginnt mit etwas Steilgras, hat aber auch zwei-drei plattig-glatte Stufen drin, die gar nicht mal so einfach sind. Der von Steinschlag geschützte Standplatz befindet sich links eines etwa 3 m hohen Felstürmchens.

Stockhorn Nordwand, Mülloch, Tschabold, Drytooling, mixed climbing
Seillänge 1 ist weniger trivial als sie von unten aussieht (rot eingekreist der Standplatz).
Stockhorn Nordwand, Mülloch, Tschabold, Drytooling, mixed climbing
Seillänge 1 von oben (Bild: H. Ullrich)
Stockhorn Nordwand, Mülloch, Tschabold, Drytooling, mixed climbing
Endspurt in Seilänge 2 (Bild: H. Ullrich).

In Seillänge 2 (M5) muss erst das tritt- und griffarme Felstürmchen rechts des Standplatzes erklommen werden. Aufgrund meiner eher bescheidenen Drytoolfähigkeiten würmle ich  mich mühsam aber sicher zwischen Türmchen und Gegenwand hinauf. Hat man mal die Kante des Türmchens in den Händen (bzw. unter den Eisgeräthauen), ist die Schlüsselstelle der Länge geschafft und es folgt tolle, fürs Drytoolen wie gemachte Kletterei in einer Verschneidung mit guten Hooks und Tritten. Für mich eindeutig die coolste Seillänge der Tour! Ein paar Schritte über flacheres Gelände führen zu einem guten, vor Steinschlag geschützten Standplatz. Hier könnte die kommende M5-Länge in M4-Kletterei rechts umgangen werden.

Stockhorn Nordwand, Mülloch, Tschabold, Drytooling, mixed climbing
Respektvoller Blick in den Schlund der 3. Seillänge
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Seilänge 3 führt durch diesen Kamin und ist klar die schwerste Länge der Route.

Wir entscheiden uns aber für die Originalvariante durch den grossen und leicht überhängenden Kamin. Dieser beginnt eng aber noch einfach, bevor dann die mit zwei Bohrhaken gut abgesicherte Schlüsselstelle kommt: Mit den Steigeisen auf die glatte Platte pressend, mit den Händen an der abdrängende Piazschuppe und/oder den Tools in der Verschneidung arbeitet man sich nach oben - für mich ziemlich schulterlastig und anstrengend... Anschliessend geht es – bis auf eine Stufe mit hohem Aufsteher – leichter, aber mir kaum vermeidbarem Seilzug weiter. Da wir den Standplatz (unter dem Schnee?) nicht finden, beziehen wir an einem Bohrhaken plus Keil anfangs der weiterführenden Rinne Stand. Die Müllochroute endet hier und wir folgen ab jetzt der "Tschabold" zum Gipfel. Alternativ könnte man auch in einer M5- und einer M6-Länge über die "Mottes au neige" zum Grat klettern.

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Eine nachfolgende Seilschaft entsteigt dem Schlund der Länge 3.
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Entspannte Kletterei in Seillänge 5 (Foto: H. Ullrich).

Längen 4 und 5 (M2) folgen der teilweise sehr engen Rinne/Schlucht und bestehen hauptsächlich aus Gehgelände, unterbrochen durch ein paar gutmütige Stufen. Geht man ein paar Meter simultan, können sie problemlos zusammengehängt werden. Vom Standplatz am  Ende der Rinne geniesst man einen tollen Tiefblick nach Thun.

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Blick vom Winter in den Herbst am Standplatz der 5. Seillänge.
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Am Ende der Seillänge 6, im Hintergrund eine Seilschaft, die für Seillängen 4 und 5 eine Variante über den Grat gewählt hat (Foto: H. Ullrich).

Länge 6 (M4) ist nochmals recht knifflig. Man schiebt sich erst über eine Rampe ein paar Schritte nach links und traversiert dann auf einem abschüssigen, trittarmen Band nach rechts, bevor es – ziemlich steil – ein paar Meter nach oben und dann wieder etwas nach rechts zum Standplatz geht.

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Ausstieg aus der Nordwand (Foto: H. Ullrich).

Nun folgt noch eine im Topo nicht verzeichnete Länge (M2/M3) über (hoffentlich) gefrorene Grasmotten ziemlich gradlinig hinauf zum Grat. Schwierig ist das Gelände nicht, aber kaum absicherbar, so ist man doch froh um die zwei Bohrhaken, die hier stecken. Mit einem 50 m Seil gelangt man problemlos zum Grat, wo Steinblöcke gute Standplatzmöglichkeiten bieten.

Stockhorn Nordwand, Mülloch, Tschabold, Drytooling, mixed climbing
Endlich Sonne! (Foto: H. Ullrich)

Auf dem Grat angekommen, freuen wir uns über die wärmende Sonne, verstauen Material und Seil und gehen die wenigen Meter zum Gipfel. Von dort gehts hinunter ins Panoramarestaurant, wo wir uns bei Rösti, Bier und heisser Schokolade aufwärmen und uns über die gelungene Tour freuen, bevor wir dann wieder bequem mit der Bahn nach unten gondeln.

Stockhorn Nordwand, Mülloch, Tschabold, Drytooling, mixed climbing
In wenigen Schritten geht's zum Gipfel...
Stockhorn Nordwand, Mülloch, Tschabold, Drytooling, mixed climbing
...und von dort zur wohlverdienten Rösti.

Gipfel:        

Stockhorn
Route: Mülloch (Ausstieg über Tschabold)
Schwierigkeit: S+, M5, II

Ausrüstung:

 

2 Eisgeräte, Steigeisen, 50 m Halb- oder Einfachseil, 8 (lange) Exen,   Zackenschlingen, Cams 0,3-3, evtl. Keile/Ballnuts

Führer:

Topo Drytooling&Mixte Suisse Ouest (Simon Chatelan)