Weisshorn (4506 m) – Schaligrat

Mit Holmger                                                                                                                                      07 & 08/08/20

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Blick zurück im Aufstieg zur Schatzplatte, im Hintergrund Täschhorn und Dom

Zustieg Schalijochbiwak ab Täsch: Geduldig haben wir nach den Schneefällen ein paar Tage abgewartet, aber jetzt geht es endlich los! Kurz nach 7:00 marschieren wir von Täsch am "Wasserski-See" und dem Golfplatz vorbei und steigen den steilen aber guten und landschaftlich eindrücklichen Weg hinauf zur Schatzplatte. Wir nehmen es sehr gemütlich und legen immer wieder Pausen ein - immerhin sind 2300 Höhenmeter mit schwerem Gepäck in weglosem Gelände zurück zu legen. Bei der Schatzplatte tauschen wir Lauf- gegen Bergschuhe und füllen nochmals unsere Trinkflaschen. Hier fände man einen idealen Biwakplatz vor, an dem man nach dem Abstieg über den Ostgrat ohne wesentlichen Umweg wieder vorbeikommen und die Biwakausrüstung mit ins Tal nehmen könnte.

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Routenverlauf von der Schatzplatte zum Schaligletscher

Nun geht es weglos weiter - das Abenteuer beginnt! Wir steigen über die mit Steinen durchsetzte Wiese einige Höhenmeter ab, queren zwei, drei Bäche und erklimmen dann den immer steiler werdenden Hang, jeweils auf oder leicht rechts der Moräne. Ich halte stets nach menschlichen Spuren Ausschau, finde aber nur Gämsspuren. Trotzdem bin ich mir sicher, auf der richtigen Route zu sein. 

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Im Aufstieg zum Schaligletscher zwischen Äschen und Stockji
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Der Ausläufer des Schalihorn Südwestgrates wird auf einer Höhe von ca. 3000 m von Süden nach Norden gequert um den Schaligletscher zu erreichen.

Der Durchschlupf zwischen Äschen und Stockji ist einfach zu finden, und danach tauchen plötzlich ein paar Steinmännchen und später auch eindeutig menschliche Wegspuren auf! Über eine steile Geröllhalde steigen wir südlich des Ausläufers vom Schalihorn-Südwestgrat weiter auf und überqueren diesen anschliessend auf ca. 3020 m, um zum Schaligletscher zu gelangen.

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Auf dem Ausläufer des Schalihorn Südwestgrates kann man den ersten Teil der Route über den Schaligletscher sowie Schaligrat und Ostgrat einsehen (Foto: H. UIlrich).

Beim Schaligletscher angekommen seilen wir uns an und montieren Steigeisen. Im Nachhinein hätten wir dies besser schon etwas vorher getan, denn hier kollern in kurzen Abständen auf dem darüber liegenden Gletscher wegschmelzende Steine an uns vorbei. Also schnell weg hier! Nach etwa hundert Metern sind wir aus der Gefahrenzone raus. Im Vorfeld hatten wir von Steinschlag aus der Schalihornflanke gelesen, aber bis zum Biwak beobachten wir weder aktiven Steinschlag noch Spuren davon.

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Vorerst noch übersichtliche und leicht zu überwindende Spaltensituation auf dem Schaligletscher.

Ich bin etwas überrascht, dass keine frischen Spuren im Schnee zu sehen sind. Laut Onlinebuchungssystem sind wir heute zu sechst auf dem Biwak. Scheinbar haben die anderen Bergsteiger den Zustieg über die Rothornhütte und das Schalihorn gewählt. Uns gelingt eine gute Routenwahl, und vorerst sind auch die Spalten ohne grosse Umwege und über solide Brücken gefahrlos zu überwinden. Aber was für ein eindrücklicher Gletscher!

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Am steilen aber schmalen Ende lässt sich die "Problemspalte" dann doch recht gut überwinden.

Eine nicht ganz zuverlässig scheinende Brücke überqueren wir mittels Pickelsicherung, danach geht es steil aufwärts und ich glaube schon, wir hätten die Spaltenzone hinter uns gelassen. So bekomme ich einen kleinen Schreck, als ich am Ende des steilen Hanges unverhofft auf dem schmalen Rand einer mehrere Meter breiten Spalte stehe! Können wir diese überwinden, oder müssen wir so kurz vor dem Ziel wieder den ewigen Weg ins Tal unter die Füsse nehmen? Ich muss an Joe Simpson aus "Touching the Void" denken... Nach etwas hin- und hergehen und eine kurzen Versuch, in die Spalte hinunter zu steigen, entschliessen wir uns schliesslich, die Spalte an deren steilen, aber schmalen rechten Rand zu überqueren, was dann zum Glück einfacher als vermutet und dank Eisschraubensicherung auch ohne Spaltensturzrisiko funktioniert.

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Im Aufstieg über den Schaligletscher, Pfeile markieren unsere Spur zur und am Rand der grossen Spalte.
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Auf den letzten Metern zum Biwak, im Hintergrund das Schalihorn.

Steil geht es weiter, aber wiederum gelingt uns eine gute Routenwahl und die verbleibenden Spalten verlangen  zwar Vorsicht, stellen uns aber nicht mehr vor Probleme. So allmählich aber werde ich müde, der nasse und tiefe Schnee ist anstrengend zu spuren und die vielen Höhenmeter machen sich bemerkbar. Endlich - kurz vor Erreichen des Schalijochs - kommt das  Biwak in Sicht. Was für eine Freude, dieses kurz nach 15:00 Uhr zu erreichen! 

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Dinner with a view (Foto: H. Ullrich)!

Interessanterweise entdecken wir auf den letzten Metern zum Biwak und auf den ersten Metern des Weiterwegs zum Schaligrat eine frische Spur im Schnee, die aus dem nichts zu kommen scheint. Hier muss wohl jemand mit Gleitschirm oder Heli angeflogen und wieder abgezogen sein. Tatsächlich bleiben wir allein auf dem Biwak, was uns wegen dem beschränkten Platz mehr als recht ist. So geniessen wir den Rest des Nachmittags draussen an der warmen Sonne, schmelzen Schnee und kochen Gerstensuppe und ein halbes Kilo Spaghetti mit Pestosauce, welches wir doch tatsächlich vollständig verdrücken und auch noch eine Tafel Schokolade nachschieben...

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Das Schalijochbiwak - was für ein Ort!
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In den Flanken liegt noch Neuschnee der vergangenen Tage

Schaligrat: Nach einem knappen Frühstück gehen wir um 5:30 los. In der Flanke liegen einige harte Schneefelder, die sich aber gerade so ohne Steigeisen überqueren lassen. In Schneefeldnähe ist wegen dem Wassereis, das einige Felsen bedeckt, ebenfalls Vorsicht geboten. Anfänglich ist die Route dank Steinmännchen und Wegspuren leicht zu finden und ich bin froh, haben wir uns das Rekognoszieren am Vortag gespart. 

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Hier geht es eben noch nicht rauf... unten im Bild das Biwak

Dann aber passiert uns ein entscheidender Fehler und wir klettern zu früh in Richtung Grat hinauf. Eigentlich hätte ich es merken müssen, als ich im laut Beschrieb noch leichten Gelände schon ordentlich zupacken und Cams legen muss, aber ich schiebe es auf meine schlechte Tagesform (mich plagen den ganzen Tag Bauchschmerzen). Erst als das Gelände definitiv zu schwer wird, sind wir sicher, dass wir falsch sind.

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Der Tag erwacht :-)
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Abstieg durch eine brüchige Rinne, um die richtige Route wieder zu erlangen.

So klettern wir recht umständlich durch eine brüchige Rinne hinunter in die Richtung, wo wir die korrekte Route vermuten und treffen dann irgendwann tatsächlich wieder auf Wegspuren und sogar Steinmännchen. Der Umweg kostet uns aber über eine Stunde Zeit. Durch die weiterhin sehr brüchige Flanke erreichen wir nach einigem hin- und her schliesslich den Grat.

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Endlich im guten Fels auf dem Grat!
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Schöne Kletterei am Grat

Hier ist das Gestein wirklich super solid und genussreich zu klettern! Gerade die (für den Grad recht einfache) 4b Seillänge bietet abwechslungsreiche und teils exponierte Kletterei mit Rissen, Schuppen, guten Griffen und sogar einem Mantle! Es folgen noch einige schöne und leichte Metern auf dem Grat, dann muss leider wieder in weniger angenehmes Gelände in der Flanke ausgewichen werden. Wiederum gelingt es uns hier nicht auf Anhieb, die beste Route zu finden und wir klettern vermutlich länger in der Flanke als nötig. Ausnahmsweise stimmt das Topo aus dem Topoführer von Silbernagel recht schlecht - im Nachhinein würde ich mich eher auf meine Intuition und Erfahrung verlassen. 

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Wo geht es durch? Nicht immer hilft das Topo weiter...
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Auf einem leichteren Abschnitt des Grates (Foto: H. Ullrich)
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Nochmals schöne Kletterei am letzten Turm

Schliesslich erreichen wir wieder den Grat auf der vorgesehenen Route, der Gipfel scheint nah und wir winken den Bergsteiger, die ihn über andere Routen erreicht haben, zu. Die Umgehung des zweitletzten Turms allerdings bietet uns nochmals eine Herausforderung, da hier doch noch einiges an Schnee liegt und wir einen alternativen Weg finden müssen. Zudem erleiden wir einen sehr zeitraubenden Seilverklemmer. Dann aber kommen wir zum letzten Turm, welcher nochmals sehr genussreiche und technisch spannende Kletterei bietet. Wegen dem vielen Schnee und Eis seilen wir von diesem Turm ab, anstatt abzuklettern. Einfach geht es schliesslich zum Gipfel, und die Erleichterung und Freude ist gross, als wir diesen kurz vor 15:00 endlich erreichen. Eigentlich mag ich es ja gar nicht, so spät dran zu sein, aber heute ist das kein Problem, die Verhältnisse im Abstieg sind auch Nachmittags noch perfekt und der Tag gewitterfrei. Und summieren sich kleine Fehler und Zwischenfälle zu einer ordentlichen Verzögerung, ist es erst recht wichtig, die verlorenen Zeit nicht auf Kosten der Sicherheit aufzuholen zu versuchen....

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Abseilen vom letzten Turm - hier liegt noch einiges an Neuschnee aus den vergangenen Tagen.
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Abstieg über den Ostgrat: es liegt eine perfekte Spur, aber der Weg ins Tal ist noch weit...

Nach einer guten aber nicht allzu langen Pause machen wir uns auf dem Abstieg über den Ostgrat. Mit Steigeisen an den Füssen klettern wir erst im gemischten Gelände ab und steigen dann über den steilen und zum Teil nur einen Fuss breiten Firngrat. Dank perfekten Trittschneeverhältnissen und einer guten Spur ist das alles kein Problem, erfordert aber wegen dem Absturzgelände doch absolute Konzentration. Aufgrund des vergletscherten Geländes  gehen wir weiterhin am Seil, auch wenn die Spalten klein und gut eingeschneit sind. Verblüfft und etwas neidisch beobachten wir eine grosse Herde Gämse, die so ohne weiteres durch die steile Südflanke des Weisshorns runter hüpft und sich anschliessend auf einem Felsvorsprung sonnt...

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Der Firngrat mündet später in einen Felsgrat.
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Blick zurück zum Gipfel, links im Bild der Lochmatterturm

Zügig erreichen wir den Felsgrat. Um Zeit zu sparen klettern wir hier alles ab anstatt abzuseilen. Wir überholen eine britische und eine sächsische Seilschaft, mit denen wir ein paar nette Worte wechseln. Auch der Ostgrat, der als Normalweg die einfachste Route auf das Weisshorn darstellt, ist nicht zu unterschätzen - das Weisshorn muss man sich auf jeden Fall erarbeiten! Nach dem Gratabschnitt folgen wir nun seilfrei in leichtem Gelände den Wegspuren und Steinmännchen, wobei wir  vor dem Firnabschnitt bei der Schulter und kurz vor Erreichen des Schaligletschers je einmal abseilen (30 m Seil reicht hier gut). Nun folgt also nur noch der Felsriegel, bevor wir uns dann endgültig in problemlosen Gelände befinden.

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Im schönen Abendlicht zur Hütte

Doch das Weisshorn will uns einfach noch nicht freigeben: Gerademal 10 Meter vom Gehgelände entfernt schiessen (zu dieser Tageszeit) starke Wasserfälle über die eigentlich einfachen Platten - ich werde instantan klatschnass als ich sie zu überklettern versuche. Ungesichert ist uns dies einfach zu heikel, und sichern funktioniert auch nicht wirklich (unterdessen gibt es dort eine Abseilstelle). Das kann doch jetzt einfach nicht wahr sein - so zum Greifen nahe! Nach einigen Diskussionen entscheiden wir uns dazu, wieder auf den Felsriegel hinauf zu steigen und diesen südlich zu umgehen, was sich zum Glück als problemlos und nicht allzu zeitraubend herausstellt. So erreichen wir dann kurz nach 20 Uhr die Weisshornhütte, wo wir uns mit Getränken stärken und anschliessend zur Schatzplatte absteigen, da wir dort einige Sachen deponiert haben. Mit zunehmend müder werdenden Beinen steigen wir dann zu von Randa herauf dröhnendem Technosound nach Täsch ab, wo wir kurz nach Mitternacht ankommen. Die (netto!) 3100 Höhenmeter Abstieg werden einen epischen Muskelkater in unseren Beinen hinterlassen, aber dies tut unserer Freude und Zufriedenheit keinen Abbruch!


Gipfel: Weisshorn
Route: Schaligrat (SW-Grat)
Ausgangspunkt: Schalijochbiwak -> bitte reservieren, der Platz ist sehr knapp!
Höhe: 4506 m
Schwierigkeit: S+, 4b
Führer: Hochtouren Topoführer Walliser Alpen (Silbernagel)
Material: 30 m Seil, Schlingen, Schnapper, Cams 0.3-0.75, Keile oder Ballnuts