Pizzo Badile (3306 m) - Nordkante (5a+)

Mit Armin und Jonas                                                                                                                                    14/08/22

Kurzbeschrieb: Ein grosser Klassiker, der durch seine beeindruckende Linie auf einen von weither sichtbaren Berg und durch genussvolle Kletterei in hervorragendem Fels besticht. Nachdem ich vor einigen Jahren die Via Cassin geklettert bin, war klar, dass ich auch mal über Kante klettern möchte – ich wurde nicht enttäuscht! Zur Einschätzung, ob man sich die Tour zutraut, orientiere man sich weniger am Schwierigkeitsgrad sondern eher an der Anzahl Seillängen. Während erstere eher gering ist, sind letztere mit 25-30 durchaus zahlreich, und man kann sich leicht ausrechnen, wieviel Zeit man pro Seillänge brauchen darf, um die Richtzeit von 5-7h einzuhalten. Ein langer Hüttenweg sowie ein alpiner Zu- und Abstieg runden das Ganze ab – insgesamt werden mindestens 2800 hm auf- und 2500 hm abgestiegen. Der kletteraffine Alpinist kommt also ebenso auf die Rechnung wie die fitte Alpinkletterin. Stimmen Fähigkeiten und Wetter, kann man sich auf ein grossartiges Erlebnis freuen.

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Die Kante im Profil (Foto: J. Bürgler)

Absicherung: Die Route wurde meiner Meinung nach hervorragend saniert. Die allermeisten Standplätze sind mit Muniringen ausgestattet; wo nicht, kann problemlos eine Zackenschlingen gelegt oder ein Schlaghaken sinnvoll mit Cams ergänzt werden. In den schwierigeren geschlossenen Passagen befinden sich genau an den richtigen Stellen Bohrhaken, welche auch von kleinen Personen komfortabel geklippt werden können. Insbesondere die 5a+-Schlüsselseillänge sowie die Zürcherplatte sind sehr gut abgesichert. Mehr als 1-2 Bohrhaken pro Seillänge gibt es aber selten. Mit Cams und Schlingen kann ergänzt werden, und ab und zu findet man Schlaghaken und Fixcams/-Keile. 

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Abendstimmung auf der Sasc Furähütte – das morgige Ziel stets im Blick (Foto: A. Bürgler)

Anforderungen: Die Schlüsselseillänge (5a+) kann dank der engen Absicherung auch auch A0 gelöst werden, somit reicht ein Kletterniveau von 4c im Prinzip aus. Als Vorsteiger oder Vorsteigerin sollte man sich im 4b-4c Gelände auch 15 m über der letzten Sicherung und ohne den nächsten Haken zu sehen absolut wohl fühlen, ansonsten wird man wohl nach der Hälfte der Tour mental ziemlich ausgelaugt sein. Gerade gegen Ende gibt es einige Traversen und Abkletterpassagen, die für den Nachsteiger oder die Nachsteigerin nicht durch Zwischensicherungen entschärft werden können, somit müssen auch diese den 4. Grad einigermassen sicher beherrschen, was aufgrund der Länge der Tour eigentlich sowieso selbstredend ist. Die Bewertung fand ich sehr angemessen, tatsächlich empfand ich die 4c Längen etwas schwerer als die 4b, obwohl ich sonst in diesem Grad kaum Unterschiede merke. Im Allgemeinen erreichen nur 1-2 kurze Stellen pro Seillänge den angegeben Grad, der Rest  spielt sich im oberen 3. oder unteren 4. Grad ab.

Die Wegfindung fand ich absolut logisch, etwas Erfahrung diesbezüglich ist vermutlich aber schon nötig. Für Zu- und insbesondere Abstieg ist gute Trittsicherheit und Erfahrung im alpinen Gelände notwendig. 

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Der Abstieg über den Passo Trubinasca führt über einen Blockgletscher – je nach Verhältnissen können hier Steigeisen und/oder Pickel benötigt werden.

Strategie: Als Ausgangspunkt dient die Capanna Sasc Furä, die man am schnellsten ab Bondo im Bergell erreicht, der schnellste Abstieg führt über das Rifugio Gianetti nach Bagni di Masino im Val Masino. Von dort gibt es Busverbindungen oder Taxis zurück zum Ausgangspunkt Bondo. Alternativ kann vom Rifugio Gianetti auch über die Pässe Porcellizzo und Trubinasca zur Capanna Sasc Furä (4.5-6h) bzw. nach Bondo 7-9h) zurückgestiegen werden (T5+, II). Sehr schnelle Seilschaften schaffen dies noch am selben Tag nach der Besteigung des Pizzo Badile. Dabei sollte man sich seiner Sache aber sehr sicher sein, denn der Weg über die Pässe ist anspruchsvoll und bei Dunkelheit ist absolut davon abzuraten. Für die meisten Seilschaften empfiehlt sich deshalb eine Übernachtung im Rifugio Gianetti, von welchem dann entweder zurück nach Bondo oder hinunter ins Val Masino gestiegen werden kann (kann auch mit einer weiteren Kletterei im Gebiet verbunden werden).

Wir haben das so gelöst, dass mein Vater und Armin und ich von Bondo aus mit der Kletterausrüstung zur Capanna Sasc Furä gestiegen sind, während mein Bruder Jonas von Bagni di Masino aus gestartet und über Rifugio GianettiPasso Porcellizzo und Passo Trubinasca zugestiegen ist. Somit hatten wir das Auto schon am Ausgangspunkt und mussten nicht auf die letzte Busverbindung am Zielort sein.

Auf dem Gipfel des Pizzo Badile gibt es ein kleines Biwak, dieses ist aber oft überbelegt und daher eher für Notfälle gedacht.

Ein Abseilen über die Kante ist aufgrund von Pendel- und Seilverhängergefahr nur sehr erfahrenen Seilschaften zu empfehlen. Zudem sollte man bedenken, dass der Platz an den Standplätzen oftmals schon für zwei Personen knapp ist und man durch ein Abseilen die aufsteigenden Seilschaften behindert.

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Zwischen dem Passo Porcellino und dem Passo Trubinasca befindet sich das Bivacco Pedroni
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Im unteren Abschnitt des Hüttenwegs geht man an lieblichen Alpen vorbei.

Zustieg zur Capanna Sasc Furä: Nach dem Bergsturz am Piz Cengalo 2017 wurde 2019 ein neuer Weg von Bondo zur Capanna Sasc Furä errichtet (T4, 1380 hm ↗︎, 300 hm ↘︎) Dieser ist zwar deutlich länger, aber bis auf eine etwas anstrengendere Passagen mit grösseren Stufen und Eisenbügel sowie ein kurzes Geröllfeld (insgesamt ca. 45 min) sehr bequem zu gehen und landschaftlich attraktiv. Die  angegebene Marschzeit von 5h 45 min ist gutmütig berechnet.

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Im mittleren, neuen Abschnitt des Weges gibt es viel Auf- und Ab. Diese Passage ist etwas anstrengender, aber nirgends exponiert oder schwierig.
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Ketten, Brücken, Eisenbügel und Betonplattformen – der neue Abschnitt bietet viel Abwechslung, der Wald spendet Schatten.
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Beim Verlassen des Waldes auf ca. 1870 m erreicht man ein Geröllfeld. Hier steigt man am bequemsten an dessen rechten Rand bis zur markanten Lärche auf. Von hier gehts auf gutem Weg zur Hütte (Foto: A. Bürgler).
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Blockgelände im frühmorgendlichen Zustieg

Zustieg zur Nordkante: Von der Sasc Furähütte folgt man dem Weg bzw. Wegspuren über den mit Felsen durchzogenen Grashang bis zur Abzweigung des Viäl auf 2266 m (mit Farbe markiert). Nun quert man vielen Steinmännchen folgend über Blockgelände unterhalb/westlich des Grates La Plota, bis man unterhalb/nordwestlich des Felsturms 2590 m steht. 

Von hier gelangt man über glatte Platten und einige Felsstufen (II, Stellen evtl. knapp III) südlich des Turms auf die breite Gratkante, wo sich die Abseilstelle für die Nordostwandrouten befindet. Über den sanft ansteigenden Grat steigt man noch etwas auf, bis das Gelände steiler wird und macht sich zur Kletterei bereit.

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Zustiegsverlauf nach dem Blockfeld bis zum Beginn der eigentlichen Kletterei
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Am Ende des Blockfelds steigt man über Felsplatten... (Foto: J. Bürgler)
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...und einige Stufen (II-III)...
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...und erreicht so die vorerst breite und einfache Gratkante.
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Zu Beginn der Kletterei, in der Seillänge, die auf die Gratkante führt

Route: Zur eigentlichen Kletterei gibt es eigentlich nicht viel mehr zu sagen als: Geniessen! Abgesehen von einer etwas brüchigen aber leichten Zwischenlänge gibt es meiner Meinung nach keine einzige unlohnende Seillänge in der ganzen Tour. Immer wieder kommt man in den Genuss von flowigen Stellen. Ingesamt ist die Route wenig steil, somit braucht es kaum Arm- oder Fingerkraft, sondern vielmehr fitte Beine und Vertrauen in den Schuhgummi. Die Reibung ist aber fast überall hervorragend und die Kletterei beschränkt sich keinesfalls auf Platten, sondern spielt sich vielfach an grossen Schuppen, Henkeln und Leisten ab.

Am besten gefallen hat mir die Seillänge direkt vor der Schlüssellänge, bei der man sich erst durch einen Spalt quetscht und dann einen Kamin hochspreizt, sowie diejenige nach der Zücherplatte, die für den Grad recht steil und athletisch ist.

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Herrliche Reibungskletterei in bombenfestem Granit
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Der Fels ist wie zum Klettern geschaffen und bietet viele Absicherungsmöglichkeiten. Die Zeit, alle zu nutzen hat man angesichts der Länge der Tour allerdings nicht...
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Nun wird es steiler
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Blick zurück auf die Schlüsselstelle. Hier stecken die Bohrhaken eng – frei geklettert ist es in der Tat nicht ganz so einfach.
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In der Zürcher Platte, die optisch etwas an die Burgener Platten am Dent du Géant erinnert. Die Kletterei spielt sich hier auf einer grünlichen Felsschicht ab, die ausnahmsweise sehr rutschig ist.
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Auf den letzten Seillängen legt sich das Gelände etwas zurück und es muss auch mal etwas abgeklettert werden.
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Nach Abklettern oder Abseilen vom Vorgipfel (ca. 20 m) erreicht man in leichter Kraxellei den bequemen Hauptgipfel.
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Abklettern bzw. Abseilen im Abstieg über den Normalweg

Abstieg zum Rifugio Gianetti und ins Val Masino: Vom Gipfel folgt man erst den Wegspuren des Normalwegs und klettert dann – immer noch dem Normalweg folgend – zunehmend schwieriger (II-III) über Felsstufen ab, beziehungsweise seilt an hier vorhandenen Muniringen ab. Die Situation bezüglich Abseilmöglichkeiten stimmte bei uns nicht mehr mit  unserem Topo überrein – nach einer Rettungsaktion scheint es unterdessen diverse Möglichkeiten zu geben. Man erkundige sich am besten bei der Hüttenwartin der Sasc Furähütte über die aktuellen Bedingungen. Wir sind nach Abseilen/Abklettern über die im Topo als Kamin bezeichnete Länge auf dem darunterliegenden, breiten Band ca. 300 m nach Westen quert und haben an dessen Ende an einem Schlingenstand über eine glatte senkrechte Wand abgeseilt. Unsere 60 m Halbseile haben dabei knapp gereicht, um den Wandfuss zu erreichen (Zwischenstand leicht westlich der Falllinie vorhanden).

Vom Wandfuss gelangt man über mit Steinmännchen markiertes Blockgelände und Wegspuren zum Rifugio Gianetti. Ab da folgt man dem Hüttenweg zum Talort Bagni del Masino (T2, 1400 m ↘︎ ).

Klettert man die meisten Stellen seilfrei ab und ist noch fit, schafft man den Abstieg vom Gipfel zur Hütte in 2h. Bei mehrfachem Abseilen bzw. Sichern, Müdigkeit, oder sogar Dunkelheit kann der Abstieg aber schnell einmal 4h oder länger dauern. 

Material: 50 m oder 60 m Halbseile, 6-8 lange Exen, Cams  0.4-2 sowie viele Zackenschlingen für Standplätze, Zwischensicherungen und Verlängerungen; sehr gute Schuhe für Zu- und Abstieg. Je nach Bedingungen können für den Zustieg Pickel und/oder Steigeisen notwendig sein, gleiches gilt für den Übergang über den Passo Porcelizzo. Die Hüttenwartin der Capanna Sasc Furä gibt gerne Auskunft über die aktuellen Bedingungen.

Führer: SAC Kletterführer Graubünden (Thomas Wälti)