Mit Holmger 02&03/07/22
Wiedermal haben wir Glück und können für Samstag zwei kurzfristig auf der Mittellegihütte freigewordene Plätze ergattern. Kurz vor 8:00 steigen wir in Grindelwald in den Zug und marschieren wenig später bei Alpiglen (1615 m) auf vorerst gutem Wanderweg bei angenehmen Temperaturen los. Aus Achtlosigkeit verpassen wir zwar den (ausgeschilderten!) Abzweiger zur Ostegghütte, merken den Irrtum aber rasch und steigen schliesslich über den mit Eisenbügeln versehenen Felsriegel zur Ostegghütte (2316 m) auf, wo wir nach gut 2h ankommen und uns eine kurze Pause gönnen.
Im Zickzack folgen wir anschliessend den mit Steinmännchen markierten Wegspuren über Schuttbänder. Die meisten Felsstufen werden dabei umgangen, einige auch leicht erklettert. Hier liegt sehr viel loses Geröll, und wir sind froh, allein unterwegs zu sein. Später markieren dann auch ein paar Bohrhaken und ziemlich verblichene Farbtupfer die Route, und wir erreichen ohne Wegfindungsschwierigkeiten kurz vor halb 12 den Sattel.
Über einen kurzen Grat erreichen wir den Fuss des nächsten Aufschwungs. Hier leiten uns falsche Wegspuren und zwei deponierte Fixseile zweimal etwas in die Irre. Gemäss unserer Interpretation des Silbernagel-Topos soll hier durch eine Rinne/in der Wand aufgestiegen werden - man hält sich aber besser in Gratnähe, wo der Fels stabiler ist und ab und zu ein paar Maillons den Weg markieren.
Oben angekommen kraxeln wir über den Grat ab und seilen am Ende einmal in die Scharte ab, aus welcher wir dann über eine Rinne und einen gekurvten Grat zum vielbeschriebenen Loch gelangen - was für eine coole Passage!
Auf der anderen Seite des Tunnels können wir nun schon die Schlüsselstelle sehen - eine Seilschaft, die heute früh bei der Ostegghütte gestartet ist, hat diese soeben geschafft. Leichte Kletterei und eine Fixseilpassage führen uns zu einer Abseilstelle, wo wir dreimal in den Hick abseilen und uns an die beiden Längen im oberen fünften Grad machen. Die erste Seillänge ist kurz; die Schlüsselstelle - eine plattige Traverse - kann mit langen Armen auch A0 geklettert werden (ich tut mich etwas schwerer...). Die zweite Seillänge, welche dank eines Zwischenstandes auch in zwei Längen aufgeteilt werden könnte, empfinde ich als leichter, allerdings ist sie zwingend zu klettern und mit Bergschuhen auch nicht ganz trivial.
Kurz nach 15 Uhr oben auf dem Grat angekommen, gönnen wir uns eine längere Pause und geniessen die herrliche Aussicht. Von nun an ist das Gelände meist einfach. Loses Gestein erfordert aber weiterhin eine gewisse Vorsicht, und auch ein, zwei kurze Aufschwünge warten noch. Hier muss ich bei einer mit II-er Stelle sogar mal noch in eine Schlinge greifen...
Kurz vor 17:00 erreichen wir die Hütte (3355 m), wo wir die Sonne und die nette Bedienung geniessen - was für ein Ort! Und was für ein Privileg, den ganzen Tag bei Sonne und ohne Wind hier unterwegs zu sein. Nach einem feinen Nachtessen gehen wir bald ins Bett.
Wir sind werden in den zweiten Startblock mit Frühstück um 4:20 eingeteilt. Um 5 gehen wir bei warmen Temperaturen und wenig Wind los. Gehgelände wechselt sich mit leichter Kraxelei ab, der Fels ist fest und die Wegfindung absolut eindeutig
Wir geniessen das flowige seilfreie Gehen und passieren einige Seilschaften. Überholen geht eigentlich an vielen Stellen absolut problemlos – zumindest wenn man vorbeigelassen wird. Ironischerweise zeigt ausgerechnet Dani Arnold die grösste Bereitschaft, uns vorbeizulassen, was er uns schon von weitem zuruft, dabei ist er mit seinen beiden Gästen so zügig unterwegs, dass dies gar nicht nötig ist.
Bei einer etwas kniffligeren Stelle seilen wir kurz ab, dann geht es entlang Fixseilen ziemlich steil auf einen hohen Turm. Hier liegt zum ersten Mal etwas Schnee und wir spüren auch den kräftigen Nordwestwind etwas stärker. Anschliessend wird der Grat wieder flacher und die frei zu kletternden Stellen sind genussreich.
Schliesslich kommen wir zur Stelle, von welcher im Jahr 1957 Claudio Corti aus der Nordwand gerettet wurde. Beim Anblick der Sicherungstange kommen Erinnerungen hoch: hier hatte ich im Dezember 2016 nach der Heckmair-Route biwakiert! Heute begnügen wir uns mit einer kleinen Pause und wechseln auf Steigeisen, bevor wir über den Firngrat respektive in der Firnflanke und schliesslich über leichte Felsen zum Gipfel weiter gehen, welchen wir um 7:20 erreichen – das ging ja zügig.
Auf dem Gipfel hat es viel Platz, der eiskalte Nordwestwind, der einem fast aus dem Gleichgewicht bringt, treibt uns aber bald weiter. Er erleichtert uns auch die Entscheidung, die schwierigsten Passagen abzuseilen, denn ohne dicke Handschuhe wollen wir nicht unterwegs sein. Nach dreimaligem Abseilen klettern wir schliesslich ins untere Eigerjoch ab.
Dort die Überraschung: der Wiederaufstieg ist aufgrund eines Ausbruchs im Felsgrat nicht mehr so einfach, wie ich das in Erinnerung hatte; es muss in mit Schutt bedecktem Blankeis etwa 60 m aufgestiegen werden. Hoffentlich hat heute niemand auf Leichtsteigeisen gesetzt... Wie ich später erfahre, wird diese Passage hier kurz nach unserer Tour sehr gut mit Bohrhaken abgesichert und kann problemlos passiert werden. Der Weiterweg führt dann genussreich über schöne Gneisfelsen. An eine besonders coole Stelle – ein Schritt über eine Spalte und um eine Kante rum – kann ich mich sogar noch von der Heckmairtour erinnern, obwohl ich da damals schon ziemlich tot war.
Beim südlichen Eigerjoch angekommen machen wir eine ausgiebige Pause - hier ist es nämlich wieder warm. Nach anseilen für den Gletscher stapfen wir teilweise tief einsinkend aber einer guten Spur folgend auf das Ewigschneefeld und bringen auch die Gegensteigung zum Obren Mönchsjoch schmerzlos hinter uns. Über die Piste erreichen wir bald das Jungfraujoch, gönnen uns ein Bier und fahren bequem nach Grindelwald – zufrieden über die flowige, entspannte Tour bei bestem Wetter. Das wir dann noch unserer Freund Philipp treffen, der über den Rottalgrat die Jungfrau bestiegen hat, rundet das Erlebnis ab.
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