Überschreitung Piz Scerscen (3971 m)-Piz Bernina (4049 m)

Mit Matthias                                                                                                                                                                                                                04/07/15

Piz Scerscen, Piz Bernina, Traverse, Überschreitung, Eisnase
Piz Scerscen (rechts) und Piz Bernina (links) von der Tschiervahütte aus gesehen

Das Wochenende mit sonnigem und recht stabilem Wetter und guten Firnbedingungen in den Bergen  wollen wir dazu nutzen, um eine Tour zu unternehmen, die schon lange auf der Wunschliste steht: die Überschreitung vom Piz Scerscen zum Piz Bernina. Am Freitag Vormittag reisen wir also per Zug nach Pontresina. Wegen einer Zugverspätung kommen wir eine Stunde später als geplant dort an und müssen deshalb auf die reservierte Kutschenfahrt verzichten. Die Hitze ist hier aber erträglich und so wandern wir gemütlich in 2 ¾ Stunden ins Val Roseg und von dort zur Tschiervahütte, die wir noch vor dem Gewitter erreichen. Nach dem Nachtessen verbringen wir in unserem Achterschlag eine für Hüttenverhältnisse gute Nacht. 

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Auf den Felsgrat, im Hintergrund der Piz Umur

Um 3:20 marschieren wir - nur im T-Shirt bekleidet - los. Während die meisten anderen Berggänger wie erwartet den Weg zum Biancograt einschlagen, zweigt unsere Route nach etwa hundert Metern ab, und wir steigen über Geröll in Richtung Gletscher.  Wir finden den mit ein paar Reflektoren und Steinmännern markierten Weg direkt und gelangen zum blanken Gletscher, den wir nach Montage der Steigeisen an seiner spaltenärmsten Zone überqueren. Von dort suchen wir den Weg über Geröll und Spuren hinauf zum Ausläufer des Piz Umur, wo wir uns anseilen und östlich vom Piz Umur aufsteigen. Der Schnee ist erst weich und nass und geht dann in einen sehr anstrengend zu spurenden Bruchharst über. Ein paar Spalten umgehend erreichen wir schliesslich um 6:40 Uhr den mit einem grossen Pfeil markierten Einstieg in den Felsgrat.

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Verschneidungskletterei im unteren Teil des Grates

Die schwierigste Kletterstelle kommt gleich zuerst: ein grosser Schritt hinauf auf eine griffarme Platte. Der Fels ist zu Beginn etwas brüchig, die Kletterei aber nie wirklich schwer und sehr gut mit neuem Hakenmaterial abgesichert; zusätzlich können Schlingen, Keile und Friends gut platziert werden. Auch die Routenfindung stellt kein Problem dar. Wir haben eine kurze Schrecksekunde, als wir zwei der fünf Eisschrauben verlieren, sind aber zuversichtlich, dass wir sie nicht dringend brauchen würden. Der Felsgrat wird von einem leichten aber anstrengenden Schneegrat unterbrochen, danach geht es im Fels weiter - wiederum ohne besonders schwierige Stellen. Während wir für den ersten Teil im Firn wegen den anstrengenden Schneeverhältnissen etwa 20 Minuten länger gebraucht haben als im Führer angegeben, sind wir hier nun wieder im Plan.

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In der Eisnase

Nun kommt die Eisnase. Nachdem Matthias den Felsteil vorgestiegen ist, steige ich nun voraus und setze bald einmal die erste Schraube – Anfängerin wie ich im Eis bin, verliere ich dabei die Hälfte der Expressschlinge... Die Nase ist nicht wirklich steil, aber blank und das Eis zum Teil so hart, dass meine Pickel, die keine richtigen Eisgeräte sind, keinen Gripp finden. Ich suche mir den Weg durch etwas griffigere Partien – hier finden sich auch kleine Wellen, die ich als Tritte für die Steigeisen benutze. Ich setze eine zweite Schraube, dann wird die Nase je länger je flacher und ich erreiche die linke Gratschneide der Nase. Nun geht es unschwer, aber wegen dem Bruchharst äusserst anstrengend hinauf Richtung Gipfel. Gegen Ende wird es wieder steil, was aber dank perfektem Trittfirn kein Problem darstellt, und auch der Bergschrund lässt sich mit Hilfe der Pickel in einem grossen Schritt gut überwinden. Etwas knifflig ist der Übergang vom Firn in den felsigen Schlussanstieg zum Gipfel, danach sind die Felsen aber leicht (4b haben wir nirgends gefunden) und kurz nach 10 Uhr stehen wir oben – wohlwissend, dass die Tour nun eigentlich erst recht beginnt.

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Blick vom Verbindungsrat zurück auf den Piz Scerscen

Wir essen ein paar Energie-Guetsli und gesalzene Nüsse und machen uns dann auf den Weiterweg. Der Abstieg vom Gipfel ist kein Problem, und den anschliessenden, sehr exponierten Schneegrat können wir wegen seiner Kürze mit unserem 50 Meter Seil gut in den begrenzenden Felspartien absichern. Es folgen ein paar Meter schöne Kraxelei in gutem Fels - leider bleibt es nicht so. Die Kletterstellen sind zwar – auch mit Steigeisen - nie schwierig, aber immer exponiert und der Fels meist sehr brüchig. Die Felstürme wechseln sich mit ebenso exponierten, scharfkantigen Firnschneiden ab. Der Schnee ist recht weich und deshalb gut zu gehen, allerdings müssen wir aufpassen, dass wir nicht mit den faulen, zerfressenen Wechten abrutschen. Wiederum sind wir froh um unser langes Seil, mit dem wir die Firnpartien in den begrenzenden Felsen sichern können. Am grossen Turm seilen wir dreimal 25 Meter ab, wobei wir die gut eingerichteten, aber zum Teil etwas mitgenommenen Abseilstellen mit Schlingen, Keilen und Karabinern verstärken. Trotz viel losem Gestein verläuft das Seilabziehen reibungslos, braucht allerdings Zeit. 

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Beim Grat zwischen Piz Scerscen und Piz Bernina wechseln sich Fels und exponierte Schneegrate ab.

Am letzten Turm müssen wir nochmals zweimal abseilen, dann geht es in den letzten, zum Piz Bernina aufsteigenden Firnteil. Dieser ist nun zu lang, um ihn im Fels zu sichern, glücklicherweise liegt aber unter dem nassen, rutschigen Schnee eine griffige Firnschicht, worin die Steigeisen guten Halt finden – ausserdem ist der Grat weniger steil, als er von weitem aussieht. Unterdessen sind dunkle Wolken aufgezogen, etwas weiter südlich scheint es stark zu regnen, während wir zum Glück nur ein bisschen Graupel abbekommen. Am Ende des Firngrates wartet nochmal eine Felspartie. Erst leicht aber sehr brüchig (haben wir hier den Weg nicht gefunden ?), am Ende nochmal ziemlich steil geht es hinauf auf die Spedla, die wir kurz nach 3 Uhr erreichen. Wir verzichten auf den Gipfels des Piz Bernina, da wir dort früher schon mal waren und machen uns direkt auf den Abstieg. Über Firn und leichten, kompakten Fels so wie 2 Abseilstellen gelangen wir auf den Gletscher. Wenig später kommen wir müde und hungrig aber glücklich bei der Marco e Rosa an wo wir mit einem Bier auf die schwierige aber gelungene Tour anstossen. 


Gipfel:            Piz Scerscen - Piz Bernina (Spedla)
Route: Eisnase, Überschreitung zum Piz Bernina
Ausgangspunkt:  Tschiervahütte
Höhe: 3971 m - 4049 m (Spedla 4020 m)
Schwierigkeit: S+, IV, 50°
Karte/Führer: Piz Bernina 1277/Hochtouren Topoführer Bünder Alpen