Säntis (2502 m) – Chammhalden (Winterroute)

Mit Holmger                                                                                                                                                       13/11/21

Säntis, Chammhalden, Kammhalden, Chammhalde, Schwägalp, Appenzelle, Toggenburg, Bergsteigen, Nordwand, Winterbergsteigen
Der genaue Routenverlauf hängt von den Verhältnissen/Schneemengen ab, folgt aber mehr oder weniger dem schwach ausgeprägten Kamm.

Im Toggenburg aufgewachsen, war der Säntis während vielen Jahren (in denen ich allerdings noch keinen Bergsport betrieben habe)  mein Hausberg. So geistert mir auch  eine Winterbegehung der Chammhaldenroute schon länger im Kopf herum. Im November 2021 bietet sich die Tour schliesslich an: zu wenig Schnee zum Skitouren, zu wenig Eis zum Eisklettern, und  mit der Wetterfront ab Mittag zu kalt und feucht zum Sportklettern. Die Prognosen bezüglich dieser Front gehen zeitlich etwas auseinander, bis um 12:00 sollte es aber gemäss allen Wetterdiensten noch mehrheitlich trocken sein und wir setzen den Start auf 8:00. 

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Steil gehts aufwärts; die Wegspuren sind gut ausgeprägt, die Unterlage nach den Schneefall aber sehr rutschig.

Als wir auf der Schwägalp aus dem Auto steigen, sind wir schon etwas überrascht, wie viel Schnee der Föhn in den letzten paar Tagen gefressen hatte. Schwer zu sagen, ob dies die Tour erschweren oder sogar heikel machen würde, oder aber eher schon fast zu einfach. Naja, schauen wir mal, dann sehen wir schon... Bei den Siebenhütten vorbei steigen wir steil aber einfach auf dem Kamm der Chammhalden, wo wir eine Jacke anziehen und den Helm aufsetzen. Hier gehts auch gleich los, ziemlich steil und exponiert umgeht man eine erste Felsstufe rechterhand. Zwar sind die Wegspuren gut ausgeprägt, aber Steine, Erde und Gras sind aufgrund der Nässe äusserst rutschig und die Exposition schärft unsere Konzentration unmittelbar. Ab hier gilt für einen Grossteil der Route "ausrutschen verboten".

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Brüchige, nicht mehr vom Schnee bedeckte Felsstufen erfordern Vorsicht. (Foto: H. Ullrich)

Bald nimmt der Schnee zu und bedeckt den Sommerweg, weshalb wir durch Rinnen direkter aufsteigen. Dank guten Trittschnee geht das mit einem oder zwei Pickeln recht gut, manchmal müssen aber auch sehr brüchige Felsstufen überklettert werden - hier wäre mehr Schnee sicher von Vorteil. Immer wieder treffen wir auf den Sommerweg, und auch die zahlreichen orangen und roten Punkte gestalten die Orientierung einfach.

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Zwei kurz nach uns gestartete Jungs im Ausstieg aus der Rinne
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Die Pickel leisten auch im Steilgras gute Dienste - oder dienen in Flachstücken wie hier als Wanderstock... (Foto: H. Ullrich)

Weiter geht es nun über Schnee und sehr steile Grashänge. Herrlich, wie sich unsere Eisgeräte in beiden Unterlagen festbeissen. Ohne hätte man hier aber keine Chance gehabt. Wir kommen gut voran und machen schliesslich auf einer flachen Graskuppe auf ca. 2050 m  kurz Rast. Bequem stehend/sitzend montieren wir hier auch Klettergut und Steigeisen. Ein schneller Einzelgänger taucht plötzlich auf - später würden wir noch froh sein um seine Spuren.  

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Weiterer Streckenverlauf ab unserem Znüniplatz; die orange markierte Passage ist im Sommer die Schlüsselstelle und gut mit Bohr- und Schlaghaken abgesichert.

In mit ein paar leichten Kletterstellen gespicktem gemischtem Gelände geht es im Zickzack weiter - ein Abschnitt, der mir sehr gut gefällt, da man nie weiss, was sich hinter der nächsten Ecke verbirgt. Der Schnee ist hier nun deutlich tiefer und stellenweise auch noch richtig pulvrig. Unterdessen hat uns auch die Schlechtwetterfront, die wir beim Znüni herannahen sehen haben, eingeholt und es beginnt leicht zu schneien - auf jeden Fall besser als Regen!

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Felspassagen... (Foto: H. Ullrich)
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... wechseln sich mit steilen Schneerunsen ab.
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Kurz nach halb 11 ist die Schlechtwetterfront da. (Foto: H. Ullrich)
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In der mit Bohr- und Schlaghaken gesicherten Traverse, der Pfeil markiert unseren Ausstieg aus den Couloir.

Nun kommt die leicht abwärts führende Traverse, die wohl im Sommer die Schlüsselstelle der Tour darstellt. Tatsächlich ist die Kletterpassage - gerade wegen dem nicht ganz zuverlässigen Fels - nicht ganz trivial. Dank vielen Bohr- und Schlaghaken kann man hier aber gut sichern, was wir auch tun, denn der unterdessen recht starke Schneefall macht es schwierig, die losen von den stabilen Felszacken zu unterscheiden. Möglicherweise ist diese Stelle im Sommer einfacher, aber ich bin doch etwas überrascht, auf einer mit T5 klassierten Route eine solche Kletterpassage anzutreffen.

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Am Ende der Traverse (Foto: H. Ullrich)

Unser 30 m Seil reicht perfekt bis zum letzten Bohrhaken am Ende des Quergangs, und da wir nicht wissen, ob noch weitere Sicherheitsmöglichkeiten vorhanden sind, bleiben wir für den simultanen Aufstieg durchs Couloir angeseilt. Haken finden wir aber keine mehr und solide Platzierungen für mobile Sicherungsmittel sind auch rar, so steigen wir mit viel Vorsicht weiter. Wirklich schwierig ist es  weiterhin nicht, der Neuschnee macht es aber nötig, bei jedem Schritt und vor jedem Setzen der Eisgeräte erst zu sondieren, ob sich nun Firn, stabile Felsen oder lose Steine darunter verbergen. Mit mehr Schnee im Couloir wäre diese Stelle sicher leichter gewesen. Nach der ersten Mixedpassage folgen wir den frischen Spuren unseres Vorgängers und verlassen die Rinne nach rechts auf den Kamm, anstatt den älteren Spuren durchs Couloir zu folgen. Welche Variante besser ist, hängt wiederum von den Verhältnissen ab.

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Blick zurück zu mir (roter Kreis) im Couloir (Foto: H. Ullrich)

Nun wird das Gelände leicht, der Schneesturm ist aber ganz schön heftig und die Sicht schlecht. Wir gehen zügig um nicht zu frieren und die Spuren unseres Vorgängers nicht zu verlieren, die trotz ihrer Tiefe schon ordentlich zugeweht sind. Anfangs der Tour hatte ich noch damit geliebäugelt, den Girenspitz zu überklettern, aber bei diesem Wetter und Neuschnee ist dies nun natürlich ausser Diskussion. Im Sattel bei Punkt 2326 m angekommen, ziehen wir uns schnell ein paar Schichten über und stopfen das Seil in den Rucksack. Immer wieder eindrücklich, wie stark ein Wetterumschwung die Situation verändert, dabei sind wir ja nicht mal im Hochgebirge. Im Wissen, dass wir bald oben sind, finden wir das Schneegestöber geradezu cool und passend zur Tour, wir sind aber definitiv froh, nicht auf einer grösseren Unternehmung zu sein.

Nach wenigen Metern Abstieg auf die Ostseite lässt der Wind deutlich nach. Bei einer Sicht von 2-3 Metern sind wir wirklich froh um die Spuren. Ohne diese und genaue Ortskenntnisse wäre die Wegfindung wirklich knifflig geworden. So freue ich mich denn auch, als ich an einer Felswand eine rot-weisse Markierung entdecke - wir sind auf dem (einfachen) Wanderweg!

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Dankbar über die noch knapp erkennbaren Spuren traversieren wir östlich des Girenspitzes zum Blauschnee (Foto: H. Ullrich)
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Gegenperspektive

Nach dem Traversieren des Blauschnees und des Schneeloch-Firns ziehen die Spuren zu einem Couloir und es folgt nochmals eine wirklich coole Stelle mit Kamin-Mixkletterei. Ein paar Schritte, dann erreichen wir den Grat, der vom Girenspitz her kommt und zum Gipfel führt.

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Ich freue mich über ein paar coole Züge im Mixedgelände. (Foto: H. Ullrich)
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Gegenperspektive
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Die letzten Schritte durchs Couloir zum Grat, wo ein mit Drahtseilen und Eisentitten gesicherter Weg zum Gipfel führt.

Von hier folgen wir dem mit Kabeln und Metallstufen ausgestatteten Weg - bei den aktuellen Bedingungen bin ich gar nicht mal so unglücklich über all das Metall... Plötzlich riecht es nach Pommes - der Gipfel kann also nicht mehr weit sein. Tatsächlich stehen wir wenige Schritte später vor dem Tunnelausgang, den wir aufgrund der schlechten Sicht erst jetzt sehen können. Was für eine coole "Gipfel"-Ankunft! Diese Tour könnte man sicher 20 Mal machen und jedesmal andere Verhältnisse antreffen - heute waren Wetter und Bedingungen genau so, dass es etwas herausfordernd, aber nicht allzu nervenaufreibend war. Es ist punkt 12:00 Uhr, also perfekt für ein Zmittag im Gipfelrestaurant. Bei Bier, Rösti und Bratwurst freuen wir uns darüber, für den heutigen Tag das ideale Programm ausgesucht zu haben, bevor es bequem mit der Bahn ins Tag geht.


Gipfel:            Säntis
Route: Chammhalden (Winterroute)
Ausgangspunkt:  Schwägalp
Höhe: 2502 m

Schwierigkeit:

 

 

Hängt sehr von den Bedingungen/Schneeverhältnissen ab. Firn und Gras mindestens 50 °/bis zu 60 °. Man sollte (im Winter) damit rechnen, III-er Stellen ungesichert klettern zu müssen. 

Material:

 

4-6 Expressen, kleine Cams, Keile/Ballnuts, Schlingen, 30 m Seil, 2 Eisgeräte, Steigeisen