Pointe des Cinéaste (3203 m) - Südgrat

Mit Holmger                                                              12/07/25

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Ungefährer Routenverlauf im Anstieg (rot) und Abstieg (orange, auf der Rückseite)

Am zweitletzten Tag unserer Sommerferien in der Dauphiné ergibt sich nochmals die Gelegenheit für eine schöne Berg-/Klettertour. Nach Pizza chèvre miel übernachten wir auf dem Parkplatz bei Pré de Madame Carle und wandern am nächsten Morgen um halb acht los in Richtung Refuge du Glacier Blanc. Den Abstieg von dieser Hütte nach unserer langen Tour über den Südpfeiler der Barre des Écrins hatte ich als sehr anstrengend und lang in Erinnerung und so rechne ich damit, dass wir nun im Aufstieg eher mehr als die angegebenen zwei Stunden brauchen. Heute aber, bei Tageslicht, am Anfang der Tour und mit weniger Gepäck, geht uns der Weg leicht von den Füssen. Wir geniessen das schöne Wetter und die tolle Landschaft, und erreichen das Refuge trotz einer Pause in weniger als zwei Stunden.

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Hübscher Zustieg zum Refuge du Glacier Blanc (gut versteckt etwas rechts der Bildmitte)

Hier füllen wir Wasser nach und deponieren unsere Pickel, da wir nun sehen, dass im Zustieg kein Schnee mehr liegt. Den Abstieg können wir zwar nicht einsehen, aber bei den aktuellen Temperaturen gehen wir davon aus, dass die Schneefelder – wenn überhaupt noch vorhanden –genügend aufgeweicht sind. Nach einer ausgiebigen Pause folgen wir dem Weg hinter der Hütte ostwärts in Richtung Glacier Jean Gaultier und biegen nach knapp 25 Minuten auf den gut mit Steinmännchen markierten Pfad ein, der durch die steile Geröllhalde hinauführt. Schliesslich erreichen wir über eine Moräne das ebenfalls gut markierte Couloir, durch das wir das breite, aber relativ steil abfallende Band erreichen, das zum Einstieg in die Kletterei leitet.

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Durch ein Couloir erreicht man das Band.
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Wegspuren führen über das Band zum Einstig in die Kletterei. Bei Firn sind hier Steigeisen und/oder Pickel unerlässlich.

Wo genau die Kletterei anfängt, ist jedoch nicht sofort ersichtlich, denn es gibt viele Wegspuren und der Übergang von Gehgelände zu Kraxelei ist fliessend. So befinden wir uns plötzlich im III-er-Gelände. Nach etwas Hin und Her finden wir eine gute Stelle, wo wir uns anseilen können. Besser ist es jedoch, sich noch auf dem Weg zur Kletterei bereit zu machen. Aufgrund dieser Ineffizienz holt uns eine geführte (?) Dreierseilschaft ein und wir lassen sie vorgehen. Die beiden Nachsteiger entpuppen sich jedoch als absolute Anfänger und lösen (im nicht wirklich brüchigem Gelände) Steine aus, die Holmger treffen. Mit etwas Abstand klettere ich hinter ihnen bis zum Einschnitt zwischen Turm I (wird nicht bestiegen) und Turm II, wo die Nachsteiger mich vorgehen lassen. Allerdings hat der Führende etwas dagegen und prescht rücksichtslos wieder vor mir rein. Dabei teilt er mir mit, unser simultanes Gehen sei eine schlechte Technik – während er mit zwei Anfänger am kurzen Seil unterwegs ist, in einem Gelände, das sich dazu absolut nicht eignet.

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Leichte und hier noch etwas grasdurchsetzte Kletterei bis auf den Grat, im Hintergrund Turm I, der nicht bestiegen wird. (Foto: H. Ullrich)

Da wir in den Bergen lieber unseren Frieden haben statt unser Ego zu stärken, lassen wir sie vorgehen und geben ihnen ein knappe Viertelstunde Vorsprung. Wir haben ja Zeit, die Tour ist kurz und das Wetter gut. Schliesslich erklettern wir Turm II – ganz schön steil für eine III, aber gutgriffig, gut absicherbar und bombenstabil. Wirklich toll zu klettern! Nach etwa 10 m folgt ein meist einfacher Grat, der uns zu Turm III führt.

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Beim Aufschwung zu Turm II wird die Kletterei richtig toll. (Foto: H. Ullrich)
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Nach dem Aufschwung wirds leichter.
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Blick zurück zu Turm II ...
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... und nach vorne zu Turm III, dem schwersten Turm der Überschreitung
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Turm III wird nicht über die steile Gratkante, sondern auf seiner Ostseite erklettert. (Foto: H. Ullrich)

Da wir die vorangegangene Gruppe schon fast wieder eingeholt haben, beschliessen wir, Turm III über die schwierigere Variante (5b) zu erklettern. Diese beginnt gleich nach der Scharte auf der Ostseite und ist mit einem weissen Pfeil markiert – für die Normalvariante (4b) quert man hier auf Bändern noch weiter in die Ostflanke.

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Erste Seillänge der 5b-Variante, der Bergsteiger rechts ist auf dem "Normalweg".

Wir wechseln auf Standplatzsicherung, da man hier tatsächlich die Hände aus den Taschen nehmen muss. Nach einer ersten, eher kurzen Seillänge folgt eine zweite, die noch etwas kniffliger und recht kräftig ist. Mir kommt sie eher schwieriger vor als 5b, wobei ich das Klettern mit Bergschuhen oft schwer einordnen kann – insbesondere bei Heelhooks und plattigem Antreten.  Die "Mühen" lohnen sich aber absolut, denn die Kletterei ist wirklich toll – wir können diese Variante also absolut empfehlen! Die mit Cams und Schlingen nicht oder schwer absicherbaren Stellen sind hier mit Bohrhaken versehen. Auf dem Rest der Tour findet sich relativ wenig Material, der Fels lässt sich aber insbesondere mit Schlingen sehr einfach absichern.

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Start in die zweite Seillänge am Turm III
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Die schwerere Variante lohnt sich! (Foto: H. Ullrich)
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All smiles ob der tollen Kletterei (Foto: H. Ullrich)

Oben am Turm geht es weiter über den Grat, es folgt eine lustige Abkletterstelle, die man auf verschiedene Arten lösen kann. Turm IV kann einfach auf der Westseite umgangen werden, was die langsame Dreiseilschaft vor uns tut. Dies kommt uns natürlich gelegen, da sie so wieder etwas Vorsprung gewinnt. Erst etwas auf der Ostseite, dann direkt auf dem Grat geht es luftig aber leicht auf die Spitze von Turm IV und ebenfalls dem Grat entlang ein paar Meter abwärts zur Abseilstelle. Diesen Turm auszulassen wäre äusserst schade, sind wir uns einig.

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Eine nachfolgende Seilschaft auf Turm III (Foto: H. Ullrich)
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Das Abklettern von Turm III (rechts) lösen wir mit einem Spreizschritt.
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Bei der Abseilstelle am Turm IV (Foto: H. Ullrich)

Nach einem einmaligen Abseilen gelangen wir in die Scharte zwischen Turm IV und Turm V, wo wir erneut Pause machen, um unseren Vorkletterern ihren Vorsprung zu lassen und um etwas zu essen  zu trinken. Wir geniessen es, heute so viel Zeit und Musse zu haben – auf langen und schweren Touren ist dies ja oft nicht der Fall.

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Zwischen Turm IV und Turm V finden sich gemütliche Picknickplätze (Foto: H. Ullrich)

Schliesslich erklettern wir Turm V, auch hier geht es im III-er Gelände durch stabilen, grosshenkligen Fels aufwärts. Ich kann nicht genau ausmachen, wo Turm V aufhört und Turm VI beginnt – nicht zu übersehen ist hingegen die Abseilstelle, die uns nun in die Scharte nach Turm VI führt.

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Auf dem Weg zu Turm V (Foto: H. Ullrich)
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Eine nachfolgende Seilschaft beim Erklettern von Turm IV (Foto: H. Ullrich)
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Abseilen von Turm VI (Foto: H. Ullrich)

Von hier könnte man im Prinzip noch Turm VII bis IX überklettern. Der Fels dieser Türme wirkt aber deutlich weniger stabil als er es bis hierher war, und aufgrund der geringen Grösse der Türme und der leichten Kletterei würde – so schätzen wir – das Abseilen von diesen Türmen unproportional viel Zeit in Anspruch nehmen. Es wird einen Grund haben, warum die meisten Seilschaften die Tour hier beenden. Nachdem unsere Vorgänger die Abseilpiste freigegeben haben, seilen wir 25 m leicht traversierend ab und erreichen nach zwei, drei Metern leichter Kraxelei den nächsten Standplatz. Mit einem 60 Meter Seil würde man hier direkt zum Stand kommen. Es folgt eine weitere 25 m Abseillänge durch brüchiges Gelände und wir sind froh, niemanden unmittelbar hinter uns zu haben.

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Blick auf die beiden Abseillängen nach Turm IV
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Auf der letzten Abseillänge gilt es, keine Steine zu lösen (Foto: H. Ullrich)

Weiter geht es durch etwas mühsames, aber insgesamt nicht allzu problematisches Schuttgelände abwärts. Zwar ist hier noch eine weitere Abseilstelle eingerichtet, aber aufgrund der losen Steine wäre das Abziehen des Seils ziemlich heikel. Ungeübte könnten an diesem Standplatz aber durch das Schuttgelände gesichert werden. Schliesslich erreichen wir Schneefelder und über diese Wegspuren, die uns über eine Geröllhalde wieder auf den Weg zurückführen. 

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Abstieg durch Schutt

So kommen wir bald wieder zur Hütte, wo wir nochmals eine Trinkpause machen und uns schliesslich auf den Abstieg ins Tal machen. Diesmal dauert dieser gerade mal eine gute Stunde und ich frage mich, weshalb wir damals nach der Barre des Écrins fast drei Stunden gebraucht und Mühe mit der Wegfindung bekundet haben. Doch in der Dunkelheit und nach über 24 Stunden auf den Beinen ist man offenbar in einem ziemlich speziellen Zustand unterwegs... Um halb sechs kommen wir gleichzeitig mit der Schlechtwetterfront zum Parkplatz und fahren nach Vallouise, wo wir auf die flowige Tour und unsere Ferien anstossen. 

FAZIT: Sehr empfehlenswerte (allerdings auch beliebte) Tour in super Fels ohne besondere Schwierigkeiten bezüglich Kletterstellen oder Wegfindung. Ist man im Dreiergelände simultan unterwegs, ist die Tour auch als Tagestour ab Pré de Madame Carle relativ kurz. Dank der Kürze kann die Tour – zumindest wenn man von der Hütte aus startet – auch durchgehend in Standplatzsicherung geklettert werden.


Gipfel:            Pointe des Cinéaste
Route: Südgrat und Überschreitung der Türme II bis VI
Ausgangspunkt:  Parkplatz bei Pré de Madame Carle oder Refuge du Glacier Blanc
Höhe: 3203  m

Schwierigkeit:

ZS, 4b (bzw. optional 5b)

Material:

 

50 m Seil, viele Zackenschlingen,  6-8 lange Exen, 4-6 kleine bis mittlere Cams, je nach Schneelage Steigeisen und/oder Pickel

Führer:

Hochtouren Westalpen Band 2 (Rother)