Mit Tobias 27/09/23
Ursprünglich haben wir die Überschreitung der Engelhörner-Mittelgruppe geplant, wovon wir dann aber absehen, da wir im Zustieg zu viel Schnee vermuten. In der Überschreitung der Pointe des Ecandies finden wir einen guten Plan B – danke Tobias für die Idee und Recherche! Um 6:30 gehen wir vom Parkplatz beim Relais d'Arpette (1625 m) los. Zügig aber auf gutem Weg geht es in Richtung Talbaschluss des Val d'Arpette. Die Abzweigung zur Col des Ecandies auf 2145 m ist gross angeschrieben, die Wegfindung also problemlos. Über Wegspuren und etwas Geröll erreichen wir um 8:30 das Col des Ecandies (2793 m), wo wir kurz pausieren und uns für die Kletterei ausrüsten.
Den angeblich leicht sichtbaren Bohrhaken können wir vom Boden aus nicht ausmachen, weshalb wir erst etwas unsicher sind, wo die Route losgeht. Schliesslich entscheiden wir uns, dort hochzuklettern, wo es am logischsten scheint, nämlich genau in der Brèche, und siehe da: nach ein paar Metern taucht der Bohrhaken auf, und zwar ziemlich genau dort, wo die Kletterei etwas schwieriger wird (5b). Anschliessend legt sich das Gelände zurück und bietet diverse Standplatzmöglichkeiten.
Von hier könnte man den ersten Turm in leichtem Gelände in einem Rechtsbogen umschleichen, oder ihn von hinter her relativ einfach erklettern. Wir entscheiden uns aber für die direkte Variante, laut Topo 5b. Uns erscheint die Kletterei allerdings deutlich schwerer, zudem nicht ganz so leicht absicherbar. Die Crux ist hier der Wechsel vom linken in den rechten Riss, vorbei an einem abdrängenden Überhang. Danach erreiche wir in leichterem Gelände den ersten Turm und seilen in die dahinterliegende Scharte ab.
Auch beim zweiten (ebenfalls umgehbaren) Turm ist nicht so klar, wie man ihm am leichtesten erklimmt. Ich entscheide mich für die steile, aber dank Rissen gut absicherbare Variante relativ weit links. In ziemlich kräftiger und wegen etwas flechtigem Fels gar nicht so leichter Kletterei (IV+) geht es auf den nur wenige Meter hohen Turm, von dem wir in die nächste Scharte abseilen. Vermutlich wäre es am leichtesten, den Turm von dieser Scharte aus zu erklettern, zudem findet sich hier ein Bohrhaken. Allerdings wäre dies dann nicht wirklich im Sinn einer Überschreitung.
Der dritte Turm ist wieder etwas höher, dafür in flowiger Kraxelei (III) leicht zu erklettern. Wir seilen wiederum in die dahinterliegende Scharte ab, wo wir das Seil deponieren, um den vierten Turm (II+) seilfrei zu erklettern und uns dadurch etwas Seilhandling zu sparen.
Über den leichten, luftigen Grat steigen wir simultan am verkürzten Seil weiter, bis wir schon früher als ich erwartet hatte, auf das Rasoir (5c) treffen. Nach einem "Ritt" auf einem Pferd gilt es, möglichst hoch auf der glatten Kante anzutreten, um die Piazschuppe zu erreichen. Die Stelle ist für grosse Leute sicher leichter, mit der richtigen Trittabfolge (danke für den Tipp, Tobias) geht es aber auch für kleine Personen gut auf - wirklich toll zu klettern! Zur Not könnte man sich hier wohl auch am Bohrhaken etwas hochmogeln.
Nun geht es wieder einfach weiter, wobei das Abklettern von plattigen Türmchen gar nicht so einfach ist. Der Standplatz oben am Turm würde hier jedoch auch ein Ablassen beziehungsweise Abseilen erlauben. Der einzige Bohrhaken steckt hier denn auch ziemlich tief, was vermuten lässt, dass er hier nicht als Zwischensicherung beim Abklettern platziert wurde, sondern um ein Wegpendeln beim Abseilen zu verhindern.
Leicht und flowig steigen wir simultan weiter, und plötzlich stehe ich vor dem saut de l'ange, einem ca. 1,20 m breiten Spalt, den es zu überspringen gilt. Ich hatte mich auf der ganze Tour etwas davon gefürchtet, doch nun springe ich ohne zu zögern (nachdem ich sichergestellt habe, dass genügend Schlappseil vorhanden ist). Die Distanz ist nicht weit, die Landung gut und etwas tiefer gelegen als der Absprung, was es auch für meine kurzen Beine ohne Sprungkraft problemlos macht.
Kurze Zeit später stehen wir vor der (umgehbaren) Grande Tour und entschliessen uns, auch diese zu erklettern. Dies lohnt sich, denn die steile Kletterei (5b) ist bewegungstechnisch toll und die Wegfindung spannend. An etwas offenen Rissen klettere ich ein paar Meter hoch und mantle – unterstützt von einem Kneebar auf ein Band. Nach einer leichten Traverse nach links entdecke ich einen ersten und kurz darauf einen zweiten Schlaghaken. Der Weiterweg nach oben sieht schwer aus und ich entscheide mich, technisch knifflig um die linke Kante herum zu klettern, wo es tatsächlich leicht hinauf zum Schlaghakenstand geht.
Vom Schlaghakenstand seilen wir vorsichtig ab und stehen wenig später unter dem Dernier Ressaut (5c). Hier muss nochmals richtig zugepackt werden, die Seillänge ist aber (wie alle nicht umgehbaren Längen) sehr gut abgesichert und die Schlüsselstelle bietet mit klassischer Riss- und Piazkletterei keine unliebsamen Überraschungen. Anschliessend geht es einfach am verkürzen Seil simultan weiter, die mit IV+ bezeichnete Stelle im Topo können wir nicht finden - höchstens eine etwas kniffligere Stelle.
Nach etwa 3h Kletterei erreichen wir den Gipfel. Obwohl wir alle Türme überklettert und keineswegs gestresst haben – diverse kurze Foto- und Ess- und Trinkpausen waren dabei – war die Kletterzeit also eher kurz. Für mich hat das heute sehr gut gepasst, aber wenn man einen Kritikpunkt an der Tour anbringen möchte, wäre dies wohl, dass die Gehzeit länger ausfällt als die Kletterzeit. Allerdings schlägt die C2C-Beschreibung 5-6h vor und wem die Kletterei wirklich zu kurz ist, könnte die Überschreitung auch noch weiter fortsetzen.
Vom Gipfel (resp. etwas unterhalb davon) seilen wir dreimal ab, verstauen dann Seil und Kletterausrüstung und machen an der warmen (bzw. richtig heissen) Sonne ausgiebig Pause. Bei der letzten Abseilstelle muss zuunterst von der Wand abgedrückt werden, um eine Felsspalte zu überwinden. Hier ist mit einem 40 m Seil etwas Vorsicht geboten, da dies eher knapp reicht. Über Wegspuren und leichte Felsen steigen wir ab. Hier hält man sich auf der Gratkante oder sogar links/nordwestlich davon, bis man die Scharte erreicht, von der man über ein Geröllcouloir wieder nach Nordosten absteigen kann.
Es bleibt ein etwas langzogener und für Ende September unglaublich heisser Abstieg, dann warten ein feines Bier und ein (Fuss-)bad im Lac de Champex - ein perfekter Ausklang dieser tollen Herbsttour!
Gipfel: | Pointe des Ecandies |
Route: | Überschreitung Nord-Süd |
Ausgangspunkt: | Parkplatz Relais d' Arpette bzw. Postauthaltestelle Champex télé |
Höhe: | 2874 m |
Schwierigkeit:
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5c (die C2C-Hochtourenbewertung "S" macht für mich hier wenig Sinn, da die Kletterstellen selten zwingend sind und die Tour kurz ist und kein grosses Commitment erfordert) |
Material:
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40 m Seil, Zackenschlingen, 6-8 lange Exen, 4-6 kleine bis mittlere Cams |
Topo/Karte: |
C2C/Swisstopo |