Mit Ralf 09/07/2019
Nach einem "Akklimatisationstag" beim Refuge d'Argentière, den wir zum Klettern von zwei schönen Mehrseillängen ("L'echappé belles" und "T'es qui Toua") genutzt haben steht nun eine lange und wilde Tour über den Jardingrat auf die Aiguille d'Argentière auf dem Programm. Kurz nach halb fünf gehen wir los, bald dämmert es und dank Rekognoszierung am Vortag finden wir problemlos das Einstiegscouloir zum Plateau. Mit Steigeisen an den Füssen ist dieses zwar anstrengend aber unschwierig zu überwinden.
Es folgt Gehgelände gespickt mit Stellen im 3. Grad, die hier in der Mont-Blanc Region schon recht knackig sein können. Erst gehen wir noch seilfrei, bei einer nassen Platte wird uns das aber zu heikel und wir seilen uns an. Kurz darauf folgt wieder eine längere Gehpassage über das Plateau, bis wir an der Brèche 20 m abseilen müssen. Die anschliessende 4b-Kletterstelle empfinden wir als sehr einfach, so klettern wir simultan bis die erste wirklich schwere Stelle kommt: ein steiler Riss - frei geklettert 5c. Hier wechseln wir auf Kletterschuhe und Standplatzsicherung. Mit eiskalten Fingern und schweren Rucksäcken zögern wir nicht lange und ziehen beim Einstiegsriss einmal kräftig an einem Cam. In freier Kletterei und etwas einfacher geht es dann über einen Klemmblock und durch eine Verschneidung hinauf auf den 1. Garde du Plateau.
Nach mehrmaligen Abseilen, Erklettern des 2. Garde du Plateau und weiteren Abseilmanövern wechseln wir vorübergehend wieder auf Bergschuhe und traversieren über ein steiles Schneefeld an den Türmen Yatagan und Minaret vorbei. Anschliessend müssen wir durch die Boîte aux lettres - ein kleines Felsloch - kriechen. Hier hat meine geringe Grösse mal ganz klar Vorteile!
Auf der anderen Seite des Fensters wartet eine einfache aber brüchige Flanke, die wir queren müssen und eine ebensolche Rinne, die zu ersteigen ist. Oben im Sattel angekommen lassen wir uns dann fast von einem Schlaghaken dazu verleiten, allzu früh wieder auf den Grat zu klettern; es geht aber vom Sattel erst mal etwa 20 Meter abwärts, bevor mit einem schulterbreiten Risskamin die eigentliche Schlüsselstelle der Tour aufwartet.
Ich bewundere Ralf, wie er trotz Rucksack und grosser Kamera souverän und - ein Bein aussen angestemmt - verhältnismässig elegant den Kamin vorsteigt. Meine Beine sind zu kurz dafür und ich schrubbe unter Ganzkörpereinsatz irgendwie den Kamin hoch. Zum Glück habe ich das an der Aiguille Purtscheller schon etwas geübt... Danach wird das Gelände einfacher, bevor nochmals zwei etwas schwerere aber sehr schöne Seillängen in die Brèche der Casque hinaufführen, welche wir etwa um 13:00 erreichen. Von hier geht es sehr exponiert aber nicht allzu schwierig über den Grat hinauf zum Gipfel der Casque, wo drei weitere Abseilfahrten auf uns warten.
Der Rest der Tour bis zum Gipfel soll eigentlich keine Kletterstellen mehr beinhalten, allerdings ist die Wegfindung - gerade jetzt mit dem Nebel - nicht ganz einfach und wir steigen ein paar mal zu früh zum Grat hinauf, anstatt im leichten Blockgelände der in der Flanke hinaufführenden Rampe zu bleiben. Man merke: wird es schwer, ist man falsch. Endlich erreichen wir den Südgipfel (3840m) - das hat sich nun ganz schön gezogen...
Hier heisst es ein weiteres Mal abseilen und weitersteigen zum Ostgipfel (3902 m). Der Weg dorthin führt über leichte Blöcke und Schnee und ist leicht zu finden, allerdings sind wir uns wegen der schlechten Sicht nicht ganz sicher, welches denn nun der höchste Punkt war. Viele Spuren aber weisen daraufhin, dass wir unterdessen auf dem Normalweg über die Südwestflanke sind, welche unsere Abstiegsroute werden soll. In Schneegestöber trinken wir um 16:30 unsere Gipfel-Cola, montieren die Steigeisen und sammeln Konzentration für den Abstieg. Die ersten 400 Höhenmeter der Südwestflanke sind bis zu 50 Grad steil. Es liegt zwar eine gute Schneeauflage, die das Absteigen einfach macht, aber ich bin müde und muss mich nun wirklich konzentrieren, nicht auszurutschen oder zu stolpern. So bin ich nicht gerade unterwegs... Ab dem Bergschrund aber können wir wieder flüssig vorwärtsgehen, und dank viel Schnee kommen wir sehr schnell und bequem voran. Die letzten Meter über Geröll und Wegspuren sind dann noch Formsache und wir erreichen die Hütte kurz nach halb sieben, womit wir es noch locker zum Nachtessen schaffen. Dieses und ein paar Bier geniessen wir dann sehr - stolz und zufrieden über die fordernde aber gut gelungene Tour, und mit dem Wissen, dass am folgenden Tag nur noch der Hüttenabstieg ansteht.
Gipfel: | Aiguille d'Argentière |
Route: | Jardingrat |
Ausgangspunkt: | Refuge d'Argentière |
Höhe: | 3902 m |
Schwierigkeit: | S+, 5a (5c A0) |
Führer:
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Sehr gutes Topo in "Mont-Blanc GRANITE" Band 1; Damilano, Désécures, Laurent; JMEditions |
Material:
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Ca. 5 Cams 0.3-3, Keile, Schlingen; bei Ausaperung des Normalweges können für den Abstieg Eisschrauben und Eisgeräte hilfreich/notwendig sein |