Mit Eva 14/06/2025
Das Wochenende ist schon länger für eine gemeinsame Tour reserviert, die Wetterprognose jedoch bis zuletzt unsicher. Klar ist, dass die Temperaturen sehr hoch sein werden, weniger klar ist, wann genau die Front durchziehen und wie gut die Abstrahlung sein wird. Volle Hütten und noch geschlossenen Bergbahnen schränken die Tourenwahl weiter ein – schliesslich entscheiden wir uns für Mallory-Porter an der Aiguille du Midi, bei der wir hoffen, aufgrund der Kürze vor Hitze und Gewitter durchzukommen. So reisen wir nach Chamonix und gondeln gemütlich mit der Bahn zur Mittelstation, von wo wir einen Blick auf die Route werfen können. Wie erwartet ist die Tour schon ziemlich ausgeapert und weist somit nicht mehr die einfachsten Bedingungen auf, die normalerweise zwischen Februar und Mai zu finden sind. Da die Schwierigkeit der Tour jedoch klar unter unserem Limit liegt, fühlen wir uns ihr auch bei etwas anspruchsvolleren Bedingungen gewachsen.
Nach einem kurzen Spaziergang hinunter zum Refuge du Plan de l'Aiguille geniessen wir einen ruhigen Nachmittag, bevor es ein feines Znacht mit Suppe, Käse, Lasagne, Salat und einer Tarte au citron gibt. Ausser uns sind nur noch ein paar wenige Kletterer auf der Hütte und der nette Hüttenwart teilt uns ein schönes Viererzimmer zu. Um 1:55 klingeln die Wecker und nach einem Frühstück (das wir nicht in seiner ganzen Reichhaltigkeit geniessen können) gehen wir um halb drei los. Am Vortag hat es von der Mittelstation den Anschein gemacht, als sei es zu dieser Jahreszeit eine schlaue Idee, gleich nach der Mittelstation den Gletscherkessel des Glacier des Pélerins zu überqueren und gradlinig auf den Einstieg zuzugehen, doch der Kessel stellt sich als viel gewaltiger heraus, als es von weitem und auf der Karte wirkt. So gelangen wir schliesslich unnötig mühsam wieder zurück auf die Moräne und somit auf den beschriebenen Zustieg – es muss also auch im Sommer weit nach links ausholend zugestiegen werden (wie zum Frendopfeiler). Liegt noch Schnee, folgt man am besten der Skiroute in Richtung Refuge des Grands Mulets. Der Umweg kostet und einiges an Kraft und Zeit, weiter schlimm ist dies jedoch nicht.
Nun geht es vorerst wieder reibunglos vorwärts. Der Schnee auf dem Gletscher ist zwar nass, aber sehr kompakt und trotz leichtem Einsinken gut zu gehen. Als es steil wird, montieren wir Steigeisen und gelangen so bei Dämmerung zum Einstieg. Das richtige Couloir ist gut zu identifizieren, das Seil der Bahn hilft bei der Orientierung. Wir tauschen Stöcke gegen Eisgeräte und stapfen in der
grossen Lawinenrinne aufwärts. Das Couloir ist gerade noch genügend mit Schnee gefüllt, bald müssen wir den Graben aber verlassen, da er unterspült ist.
Die nach rechts ziehende, 50° steile Rampe, der wir nach dem Einstiegscoulor folgen müssen, können wir problemlos identifizieren – eine noch knapp sichtbare alte Spur bestätigt unsere Routenwahl. Am Vortag haben befürchtet, hier würde möglicherweise kein Schnee mehr liegen. Wie sich jetzt herausstellt, ist die Rampe jedoch noch mehrheitlich mit gutem Schnee bedeckt, auch wenn eine kurze Felsstufe überkraxelt werden muss. Da der Schnee nach wie vor kompakt ist, spricht nichts dagegen, weiterzugehen. Wäre der Schnee schon hier so tief gewesen wie später, wären wir wohl umgedreht.
Am Ende der Rampe wartet der Crux Corner, wo es über Felsen wieder nach links geht. Auch hier ist die Routenwahl logisch. Wir seilen uns an und klettern in Standplatzsicherung erst ein paar Schritte über Eis und sandigen Fels, dann in trockenem gutgriffigen Granit. Die Steigeisen bleiben an den Füssen, die Eisgeräte hängen wir an den Gurt. Um Seilzug zu vermeiden, machen wir nach ca. 10 Metern Standplatz (Fixseil), danach geht es in einer zweiten Seillänge mit zwei, drei doch etwas kniffligen Stellen weiter. Der Fels ist total stabil, die Risse sind toll zu klettern und lassen sich super absichern. Mir gefällt es richtig gut, und zu diesem Zeitpunkt freue ich mich sogar noch darüber, dass wir nicht bei idealen Bedingungen unterwegs sind, bei denen diese Kletterpassagen unter dem Schnee wären.
Am Ende der Seillänge erwarten wir eigentlich das kleine Schneefeld, jedoch ist dieses schon sehr ausgeapert, und statt guter Trittfirn liegt nur nasser Schnee und dünnes Eis über dem Fels und Schutt – ziemlich unangenehm, da man nie genau weiss, ob der dünne Eispanzer noch hält und was sich unter dem Schnee verbirgt. Wir gehen nun simultan am stark verkürzten Seil weiter und legen aufgrund der schwierigen Bedingungen wenn immer möglich Zwischensicherungen. Schliesslich nimmt die Schneemenge zu, die Qualität allerdings ab ... Bei jedem Schritt muss man extrem aufpassen, nicht mit der weichen Masse wegzurutschen. Glücklicherweise lassen sich in den aus dem Schnee ragenden Felsen weiterhin Zwischensicherungen legen, zudem kommen wir an diversen Fixseilen und Schlingen unterschiedlichen Datums vorbei.
Als wir das zentrale Schneefeld erreichen, wird der Schnee zwischenzeitlich etwas kompakter und fühlt sich sicherer an, wechselt dann aber wieder zu tiefem, nassem Rutschschnee. Vorsichtig wühlend erreichen wir den Felsriegel, über den wir nach rechts queren müssen. Auch hier ist es wegen der Ausaperung nicht ganz einfach, überhaupt auf den Fels zu gelangen und dieser ist nicht überall super stabil. Über eine kurze, senkrechte Stufe überwinden wir mit ein paar kräftigen Zügen den Felsriegel. Leider ist der Schnee oberhalb davon auch nicht kompakter – im Gegenteil. Ein paar Passagen sind ziemlich steil und wir sinken bis zum Bauch ein. Glücklicherweise gibt es auch hier Möglichkeiten für Zwischensicherungen, doch parallel steigend wollen wir natürlich dennoch nicht ausrutschen. Unterdessen haben uns zwei Jungs eingeholt, sie lösen uns aber erst beim Spuren ab, als wir demonstrativ eine Pause machen und sie nachdrücklich vorbei winken. Trotz der hohen Temperaturen fröstle ich ziemlich, durch das tiefe Einsinken und die herabfallenden Schneerutschen bin ich am ganzen Körper klatschnass.
Nach Anziehen der Daunenjacke wirds wird mir wieder warm und hinter den Jungs her stapfend erreichen wir wenig anstrengend die Demi-lune. Hier ist der Schnee kompakter und man muss nicht mehr bei jedem Schritt befürchten, wegzurutschen. Die Station der Aiguille du Midi wirkt nun schon recht nah und bin zuversichtlich, dass wir sicher zum Gipfel gelangen werden, auch wenn dies wegen dem teilweise immer noch hüfttiefen Schnee seine Zeit brauchen wird.
Langsam aber entspannt kommen wir unserem Ziel näher. Schliesslich ist uns das Tempo doch zu langsam und Eva übernimmt wieder die Führung. Schon ist der Schlussgrat zur Aiguille du Midi zum Greifen nah, da treffen wir auf Blankeis, das sich unter den etwa 20 cm nassem Schnee verbirgt. Um nicht noch auf den letzen Metern abzustürzen, setzen wir fortan mindestens eine Eisschrauben zwischen uns. Schliesslich erreichen wir den sicheren Grat und kurz darauf die Bergstation.
Aufgrund der schweren Bedingungen haben wir mit fast 11 Stunden sehr lange gebraucht, aber insgesamt konnten wir die Tour den Verhältnissen entsprechend relativ sicher gestalten. Glücklicherweise war Steinschlag trotz der hohen Temperatur kein Problem, alles in allem empfiehlt es sich jedoch nicht, die Tour bei so hohen Temperaturen zu unternehmen. Nach einer entspannten Gondelfahrt zurück zum Ausgangspunkt, winden unsere triefenden Handschuhe und Socken aus und fahren wir müde aber zufrieden nach Hause.
Wie immer hat es super gepasst mit Eva. Wir waren uns stets einig bezüglich Routenwahl und Sicherungsstrategie und unsere Expertise in Eis (Eva) und Fels (ich) ergänzen sich super (wobei Eva heute definitiv den unangenehmeren Teil vorausgehen musste ;-)).
Gipfel: | Aiguille du Midi |
Route: | Mallory-Porter |
Ausgangspunkt:
|
Refuge du Plan de l'Aiguille (sehr empfehlenswert) oder Biwakplätze bei der Plan
de l'Aiguille (Mittelstation). Bei tiefen Temperaturen und entsprechendem Tempo kann die Tour auch mit der ersten Bahn unternommen werden
. |
Höhe: | 3842 m |
Schwierigkeit: | ZS+, IV, 60° |
Führer: |
Chamonix (Rockfax) |
Material:
|
30-40 m Einfachseil, 2 Eisgeräte, 6-7 Eisschrauben, Felsausrüstung je nach Bedingungen: Wir hatten 6 Cams von 0,2-2, dabei, was genau gepasst hat. Bei weniger Fels und guten Firnbedingungen kommt man mit weniger aus. |